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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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»Was ist passiert?«
    »Er hat Faith Geld geschuldet. Das ist nichts Besonderes; sie ist immer windelweich, was ihn betrifft, und er schuldet ihr ständig Geld, aber er hat gesagt, er wolle es ihr heute Morgen zurückzahlen. Er habe einen Job, der ganz anders sei, und damit könne er seine ganzen Schulden zurückzahlen.«
    »Was für einen Job?«
    »Ich glaube nicht, dass da nur ein neuer Freier dahintersteckte.« Dundas schluckte. Er war ein altgedienter Bulle, kannte die Sprache der Prostitution, aber er hatte Jahre gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, sie im Zusammenhang mit seinem Sohn zu benutzen. »Wenn es nur ein neuer Freier wäre, müsste der geradezu spektakulär zahlen. Er schuldet Faith fast achthundert Pfund, und so viel Geld verdient man 
    in Knowle West nicht. Und er hätte angerufen, wenn er nur zu spät gekommen wäre. Er hatte sein Telefon dabei. Sie hat ihn den ganzen Morgen angerufen, aber es ist abgeschaltet. Er hätte angerufen, wenn...«, er ließ das letzte Wort in der Luft hängen, »...wenn er könnte.«
    Sie saßen schweigend da und starrten hinauf in den Himmel, über das Feld, das sich vor ihnen ins Tal erstreckte, und auf den Teich, der dort im Gras lag wie eine Silbermünze. Zwei Schritte weit rechts von ihnen befand sich ein schwarzer Fleck, wo jemand ein Feuer gemacht hatte - vor kurzem erst, denn der Geruch hing noch in der Luft. Keine Flaschen, kein Müll, vielleicht Jugendliche oder jemand auf der Flucht. Es gab einen Landstreicher in der Gegend, einen ehemaligen Strafgefangenen, den die Leute den Walking Man nannten, und sie dachte an all die Leute auf der Welt, die niemand vermissen würde, wenn sie morgen verschwänden. Verlorene Seelen. Sie drehte sich zu Dundas um und umarmte ihn. »Keine Sorge. Ist bestimmt alles in Ordnung.«
    »Nein«, sagte er, »das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass alles in Ordnung ist.«
    Sie stand auf und schaute ihn an, sein großes altes Gesicht, die rotfleckige Haut an seinem Hals, sonnenverbrannt vom jahrelangen Tauchen. Sie wusste, Dad war nicht zu ersetzen, und einen Ersatzvater gab es nicht, aber jetzt empfand sie eine solche Zärtlichkeit für Dundas, dass der Drang, ihn noch einmal zu umarmen, beinahe übermächtig wurde. »Rich«, sagte sie, »wir werden unser Bestes tun.«
    »Ja«, murmelte er gepresst. »Ja. Danke.« Er machte eine lange Pause und wand sich ein wenig. »Danke.« 

     
        42
     
    11. Mai
    Alles, was Mossy über Skinnys Bruder erfährt, ist unheimlich. Er sieht den kleinen Scheißer nie, aber er weiß, dass er da ist - er hat seinen vermurksten Schatten an der Wand gesehen. Er hat ihn gerochen und gehört. Aber es kommt noch schlimmer: Nach allem, was Skinny darüber sagt, wie er sich benimmt und was er tut, ist Mossy zu dem Schluss gekommen, dass die Entstellung des Bruders sich nicht auf seinen Paviankörper beschränkt, sondern auch sein Gehirn betrifft.
    Nach Mossys Ansicht hat Skinny genau die richtige Einstellung zu dem verkackten Business, in dem sie hier sind: Mit menschlichen Körperteilen ist Geld zu machen. Mossy hat lange gebraucht, um es zu akzeptieren, aber jetzt versteht er, dass Skinny nur so überleben kann. Aber sein Bruder hat die total falsche Einstellung. Der Bruder, und manchmal läuft es Mossy bei dem bloßen Gedanken eiskalt über den Rücken, glaubt tatsächlich an dieses muti. Er hat nie gefragt, ob der Bruder wirklich schon mal Menschenblut getrunken oder von den Häuten gegessen hat, mit denen die beiden gehandelt haben - aber er hat so seine Vermutungen.
    Denn der Bruder glaubt, muti kann mehr für ihn tun, als ihn nur zu heilen. Er glaubt, es kann mehr tun, als nur seine Wirbelsäule gerade zu strecken und seine Pavianhände zu entkrampfen. Er glaubt, es kann andere um ihn herum beeinflussen. Als er draußen unterwegs war und seinen schrägen Geschäften nachging, hat er sich verliebt. Hat nicht mit ihr geschlafen und sie nur von fern gesehen, aber es ist Liebe. Sie ist 'ne Nutte, eine aus der City Road, heißt Keelie. Mossy weiß es nur zu gut: Von all den üblen Leuten auf der Welt, in die man sich verlieben kann, ist jemand von der Straße die schlimmste 

    Wahl. Aber der Bruder hat es sich in den Kopf gesetzt, sagt Skinny, dass muti auch da wirkt. Es wird dafür sorgen, dass seine Freundin aufhört, mit anderen Männern für Geld zu ficken.
    Skinny redet nicht viel darüber. Er tut so, als würde das alles gar nicht passieren, aber dann zwingt ihn etwas, sich damit

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