Ritus
kam in die Unterarmscheide. »Wir werden die Bestie finden und töten. Und ein paar Nonnen besuchen.«
»Nonnen?«
»Ja. Was auch immer sie in der Nähe der Bestie gesucht haben, ich finde es heraus.« Eric wickelte das Fläschchen in eine Luftpolsterverpackung, umhüllte es mit Styropor und legte es in den Pappkarton. Die alte Notiz wurde ebenso gut verpackt, dieser einmaligen Fracht durfte nichts geschehen.
»Wir finden es heraus«, verbesserte Lena.
Er schüttelte den Kopf. »Keine gute Idee.«
»Mag sein.« Sie lächelte wölfisch. »Aber ich werde dich nach Kroatien begleiten, um dem Vieh in den Arsch zu treten, dem ich das alles verdanke.«
Eric ließ sie vorerst in dem Glauben. Nach einer Flugbuchung hatte er alles erledigt. Er wandte sich zu ihr. »Können wir fahren?«
Lena nickte und leerte ihren Kaffee. »Wie lange sind wir unterwegs?«
»Nach Homburg? Vier Stunden. Wenn es gut läuft, dreieinhalb.«
»Es schneit, Eric.«
»Mein Cayenne freut sich schon darauf, an den Staus rechts vorbeizufahren«, gab er grinsend zurück. »Du kennst mein GPS-System?«
»Ich erinnere mich.« Sie lachte.
Er nahm das Päckchen. »Du hast deinem Bekannten an der Uniklinik Bescheid gegeben?«
Lena nickte und warf sich ihren beigefarbenen Wollmantel über, setzte die Kappe auf und suchte ihre Sachen zusammen. »Mühlstein sitzt an einem Forschungsprojekt und hat das Labor mit seinen netten Apparaten für sich allein.«
Er nahm ihr den Koffer ab und öffnete die Tür. Der Gang war leer. »Was meinst du, wie lange er zur Analyse brauchen wird?« Er trat hinaus, und zusammen gingen sie in die Tiefgarage, wo der dreckige Porsche darauf wartete, wieder über Straßen und Wege und durch Stadtparks gejagt zu werden.
»Er ist schnell«, beruhigte sie ihn beim Einsteigen. Den Koffer warf sie auf die Rückbank.
Eric hätte sich eine klare Aussage gewünscht, denn die Zeit des Vollmonds rückte gnadenlos näher. Er hatte gehofft, Lenas erste Verwandlung verhindern zu können, aber allmählich starb die Hoffnung. Er würde sich in der kleinen saarländischen Stadt nach einem geeigneten Versteck für sie umschauen müssen, wo sie abseits einer menschlichen Behausung brüllen, heulen und schreien konnte. Oder er setzte ihr einen Infusionszugang und pumpte sie mit drei Gramm Gamma-Hydroxybuttersäure voll. Alle paar Stunden eine Ladung jener illegalen Droge, die Werwölfe zum Schlafen brachte, und sie würde die drei Tage und Nächte friedlich überstehen. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass es funktionierte. Eventuell war das auch eine Möglichkeit, um sie davon abzuhalten, ihn nach Kroatien zu begleiten. Sie war im Kampf eine Last für ihn.
Der Geländesportwagen schnurrte glücklich, als Eric den Motor anließ. Sie fuhren durch die Straßen auf den Autobahnzubringer und weiter in Richtung Saarland.
Lenas Schweigen währte zwei Ausfahrten lang. »Tut es weh?«
»Was genau?«
»Die Verwandlung in einen Wolf. Ich kenne so etwas nur aus Horrorfilmen.« Sie schauderte. »Es knackt und knirscht immer so eklig, die Leute winden sich und schreien.« Ihre grünen Augen wandten sich ihm zu. »Ist es so?«
»Die Verwandlungen, bei denen ich dabei gewesen bin, gingen sehr schnell vonstatten.« Er versuchte, ihr die Angst zu nehmen. Sie würde die Wahrheit bald am eigenen Leib erfahren.
»Und danach?« Sie schaute nach vorne auf die Fahrbahn. »Was denkt man als Wolf? Was hört und riecht man?«
Eric gefiel nicht, dass er eine Nuance Neugier in ihrer Stimme bemerkte. »Was du denkst? Ich vermute: Hunger, Töten. Danach Fressen und wenn ein anderer Werwolf in der Nähe ist vermutlich noch Ficken .« Er sagte es absichtlich hart und abwertend, damit ihre latente Begeisterung erst gar keine Gelegenheit bekam, sich zu verstärken. »Du wirst keinerlei Kontrolle über dich haben. Ich habe … mit ein paar Wandelwesen gesprochen. Die meisten konnten sich an die ersten Verwandlungen gar nicht erinnern. Sie wurden am nächsten Morgen irgendwo wach, waren nackt und hielten sich zunächst für wahnsinnig.« Er sah, dass sie im Sitz zusammensank. »Lena, es tut mir wirklich Leid – aber du musst begreifen, dass es ist nichts Gutes an diesem Dasein gibt. Du wirst zum Werkzeug der Finsternis, mehr nicht. Die Vorteile täuschen über die wahre Natur hinweg. Und die ist bestialisch.«
Sie schwieg nicht lange. »Es ist seltsam, wie viele Dinge wir Menschen nicht bemerken«, sagte sie nachdenklich. »Seit die Kreatur mich gebissen hat, ist
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