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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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und hat ihren Spaß daran, die Menschen in Sicherheit zu wiegen, damit sie nachlässig werden. Dann wird sie von Neuem fressen, mehr als in den vergangenen Jahren.« Er verschwieg ihr, dass er wie Malesky annahm, die Bestie habe ihren Wurf inzwischen bekommen und sich eine sichere Höhle gesucht, um von dort aus erneut ihr Unwesen zu treiben, sobald die Jungen nicht mehr blind und schutzlos waren. Erwachte bei den halbstarken Bestien die Lust auf Fleisch, würde sich die Erde der Region vom Blut der Menschen und des Viehs rot färben. »Wann war er das letzte Mal bei ihr?«, wechselte Jean den Gegenstand der Unterhaltung.
    Gregoria wusste sofort, wen er meinte. »Ich weiß es nicht genau. Lasst es einen Monat sein. Sie unterhalten sich gelegentlich, und ich achte darauf, dass nicht mehr geschieht, Monsieur Chastel, da könnt Ihr sicher sein. Für die Sünde ist kein Platz in den Mauern von Saint Grégoire.«
    »Und Ihr habt noch immer nichts dagegen, dass Euer Mündel und mein Sohn sich die Ehe versprochen haben?«
    Gregoria beugte sich nach vorne, eine Hand auf dem Kreuz, das vor ihrer Brust baumelte. »Monsieur Chastel, Pierre ist ein sehr netter junger Mann, von denen es nur wenige in dieser schlechten, gottlosen Welt gibt. Er ist nicht reich, aber das fällt für mich nicht ins Gewicht. Das Faktum, dass sich Florence und Euer Sohn gegen alle Widerstände noch immer lieben, obwohl sie sich nicht mehr als ein paar Mal im Jahr sehen, zeigt mir, dass es keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Zuneigung gibt. Sie hat sogar die schrecklichen Ereignisse im Frühjahr überdauert.« Sie fasste seine Hand und drückte sie. »Meine Zustimmung haben die beiden, Monsieur, und ich bitte Euch, gebt die Eure, sobald die Bestie erlegt ist.«
    Jean schaute auf seine Hand, dann auf ihre kräftigen und dennoch schlanken Finger, die sich um seine Rechte gelegt hatten, und ein wohliger Schauder durchlief ihn, ausgelöst durch die Berührung der Frau, für die sein Herz schlug. Er konnte nicht anders, als seine Linke zu heben und ihre Finger zwischen seine zu betten.
    Gregoria ließ ihn gewähren. Sie hatte sich schon vor geraumer Zeit eingestehen müssen, dass ihre Seele nicht mehr allein nach der Gnade Gottes verlangte, sondern auch nach der Nähe des eigenbrötlerischen, ehrlichen Mannes, der seine aufrichtige Art an seinen Sohn Pierre weitergegeben hatte. Bei Antoine musste der Teufel eingegriffen haben.
    Und doch – es durfte nicht sein! »Monsieur«, sagte sie ernst. »Ich bitte Euch ein weiteres Mal – seid mir ein Freund, nicht mehr.« Sie suchte seine braunen Augen. »Glaubt mir, wäre ich …« Ihre andere Hand krallte sich so fest um das Kreuz, dass es wehtat und sie spürte, wie die Haut durchbohrt wurde. Warm sickerte das Blut über ihre Hand.
    Eben, als sie ihren Dämon Leidenschaft überwunden glaubte, beugte sich Jean vor und stahl sich einen langen Kuss von ihren Lippen.
    Sie schloss die Augen, genoss die innige Berührung und die wohlige Wirkung, die sie schon so viele Jahre nicht mehr gespürt hatte. Aber dann hörte sie ihr Gewissen, das sie laut Sünderin nannte, und wich zurück. »Jean«, sagte sie mit einem Zittern in der Stimme, die Lider immer noch geschlossen, »nicht! Was wir tun, führt mich und dich in die tiefsten Höllen.«
    »Weshalb?«, gab er rau zurück. Erregung legte sich auf seine Stimme. »Weil wir unseren Gefühlen folgen? Heißt es nicht, dass Gott die Menschen zusammenführt? Ein gläubiger Mensch könnte sagen, es ist Gottes Wille, dass wir zueinander finden. Gregoria, vielleicht möchte er, dass du Saint Grégoire verlässt …«
    »Nein!«, sagte sie leise und öffnete die graubraunen Augen. »Ich habe mich und meinen Körper Gott geweiht.«
    Jean stand auf. Er sah sie lange an, und Härte schlich sich in seinen Blick. »Ich … ich verstehe nun, warum ich mein Einverständnis zur Ehe von Pierre und Florence geben soll«, sprach er. »Du siehst ihre Liaison als einen Ersatz für unsere unerfüllbaren Wünsche, habe ich Recht?«
    »So ist es nicht«, widersprach Gregoria ohne Zögern. »Sie lieben sich, daran gibt es keinen Zweifel.«
    »Und was ist mit uns?«, verlangte er finster zu wissen. »Du kennst meine Gefühle für dich. Ich dachte, dass ich nie wieder so empfinden könnte. Aber jetzt liebe ich wieder, und es ist mir egal, dass es eine Frau ist, die der Kirche gehört! Du hast mich alle Vorbehalte vergessen lassen. Dieser Kuss hat mir gezeigt, wie sehr wir uns nach einander

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