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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die Welt … intensiver für mich geworden. Ich empfinde mehr. Ich nehme Gerüche von Dingen und Menschen wahr, bevor ich sie sehe. Ich kann Düfte beinahe vor mir sehen und deutlich unterscheiden. Geräusche klingen anders, und ich glaube, meine Augen werden schlechter. Dafür reagiere ich schneller auf Bewegungen und rennende Menschen. Ich möchte ihnen nach, mich mit ihnen messen. Ich bin impulsiver als früher und …« Sie suchte nach Worten, um ihre Gefühle auszudrücken. »Warum sind Wandelwesen Einzelgänger?«, eröffnete sie unvermittelt einen neuen Aspekt.
    »Wieso fragst du mich das?«, meinte Eric verblüfft. »Du bist die Soziobiologin.«
    »Schon. Aber ich habe keine Erfahrung mit dieser Spezies.« Lena lachte. »Sie braucht noch einen wissenschaftlichen Namen, fällt mir gerade ein. Vielleicht lupus hominem anthrophagus .«
    »Nicht alle sind Einzelgänger«, sagte Eric. »Diese Bestie, die wir jagen, hat in der Vergangenheit mehrmals versucht, so etwas wie eine Familie aufzubauen, aber sie wurde bisher rechtzeitig daran gehindert.«
    Lena machte es sich bequem, zog die Beine an und betrachtete die verschneite Landschaft. »Ich verstehe. Sie benehmen sich mehr wie aus dem Rudel verbannte Alpha-Tiere.« Sie seufzte. »Es kommt von dem Gefühl der Überlegenheit, schätze ich. Weil sie besser sind als die Übrigen oder sich zumindest als stärker betrachten und niemanden an ihrer Seite dulden.« Lena nahm einen Block und einen Stift aus ihrer Tasche. Sie blätterte lange, bis sie eine freie Seite fand, offenbar hatte sie sich sehr viel zu den Wandelwesen notiert. »Tragen sie untereinander Kämpfe aus?«
    Eric zuckte mit den Achseln. »Kann ich nicht sagen.«
    »Vielleicht, wenn sie sich ins Gehege kommen«, dachte Lena laut nach. »Da es viele Arten von ihnen gibt, ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass es zu Konfrontationen kommt.«
    Er schwieg. Je mehr Antworten er gab, desto mehr wollte sie wissen. In ihr war eine Faszination wachgerüttelt worden, die nicht gut sein konnte. Still legten sie die Kilometer nach Homburg zurück. Lena schrieb, Eric steuerte, und der Porsche flog mit über zweihundert Sachen über die Autobahn.
     
    Am späten Abend fuhren sie auf den Campus der Uniklinik und suchten das Gebäude, in dem Lenas Bekannter arbeitete.
    Auf der Fahrt war es Eric wegen des dichten Verkehrs nicht aufgefallen, dass ihnen ein Wagen folgte. Aber um diese Zeit herrschte wenig Betrieb auf dem Gelände, und jedes Auto fiel auf. So auch der anthrazitfarbene BMW-Kombi, der sich Mühe gab, nicht zu dicht aufzufahren, aber Anschluss halten musste, um sie in dem Gewirr der Straßen nicht zu verlieren.
    »Halt dich fest«, sagte Eric und schaute in den Rückspiegel. Im Wagen hinter ihnen erkannte er drei Gestalten, allem Anschein nach ausschließlich Männer. »Ich werde sie kurz abhängen, du springst raus und läufst zu deinem Bekannten, während ich weiterfahre und mir die Verfolger vornehme. Danach komme ich ins Labor.«
    Lena bleckte die Zähne. »Soll ich dir nicht helfen?«, fragte sie kampflustig. »Ich könnte …«
    Er gab einfach Gas. Der Cayenne röhrte auf, machte einen Satz vorwärts, schwang sich abrupt um die nächste Kurve und fegte die schmale, abschüssige Straße hinab.
    Der BMW nahm die Herausforderung an. Die Rallye Universitaire begann.
    Der Campus der Universitätskliniken entpuppte sich als sehr kurvenreich, die Sträßchen abseits der Hauptverbindungsrouten der Kliniken waren gerade so breit wie ein Fahrzeug, und der dichte Wald darum herum erlaubte Eric kaum, vom Asphalt ins Gelände zu wechseln.
    Einbahnstraßen interessierten Eric nicht, obwohl es sehr viele davon gab. Seine rücksichtslose, dennoch gekonnte Fahrweise schüttelte den BMW bald weit genug ab, so dass Lena unbemerkt aussteigen konnte. Sie nahm das Päckchen, gab Eric einen leidenschaftlichen Kuss und versteckte sich hinter einer Hinweistafel, während der Porsche weiterschoss.
    Eric hatte sich inzwischen von seinem GPS einen Lageplan des Klinikums geben lassen und suchte mit schnellen Blicken auf das Display einen geeigneten Ort für einen Hinterhalt. Das Wildgehege nahe dem Hubschrauberlandeplatz war perfekt.
    Eric jagte den Cayenne den Berg hinauf, bog auf den Schotterweg und brauste auf ihm geradewegs in den Wald hinein. Die Scheinwerfer des BMW waren zwar kleiner geworden, aber die Verfolger waren ihm immer noch auf den Fersen. Dann schaltete Eric die eigenen Lampen aus und fuhr im Licht des beinahe

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