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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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untersuchen.«
    »Nach drei Jahren dürfte es schwierig sein, eine Spur zu finden. Wenn Euch aber die Gnade des Herrn begleitet, Exzellenz, dann sollte es ein Leichtes sein.« Sie schaute auf die Pistolen an seinem Gürtel. »Verratet mir bitte, weshalb Ihr durch die Gegend zieht, als befändet Ihr Euch auf dem Weg zu einer Schlacht.«
    »Die Kunde der Bestie im Gevaudan drang bis nach Rom, auch ohne Euren Brief, und da dachte ich, dass es das Beste sei, sich gegen die Kreatur zu wappnen, die durch die Wälder streift und Menschen reißt. Manchmal reichen Worte des Glaubens allein nicht aus.« Francesco neigte den Kopf etwas zur Seite. »So lange wir unsere Untersuchungen anstellen, bleiben wir in Eurem Kloster, ehrwürdige Äbtissin. Lasst alles herrichten, wir sind lange unterwegs gewesen.« Er stand auf und verneigte sich vor dem Kreuz. »Sollte Euch jemand nach uns fragen, werdet Ihr sagen, dass wir zum Schutz der Pilger hier sind. Verbreitet, dass der Heilige Vater sich um das Wohl seiner Schäfchen sorgt und bewaffnete Hirten sendet. Wir vermögen mehr auszurichten als die königlichen Häscher.« Er ging aus dem Zimmer, seine Leute folgten ihm.
    »Heilige Mutter Gottes«, stöhnte sie. Jetzt befand sie sich wirklich in großen Schwierigkeiten.
    »Ehrwürdige Äbtissin, habt Ihr nicht ein Mündel in Eurem Kloster?«
    Sie zuckte sichtbar zusammen: Der Gesandte war noch einmal eingetreten, ohne dass sie ihn bemerkt hatte.
    »Oh, habt Ihr ein schlechtes Gewissen wegen etwas?«, fragte Francesco arglistig lächelnd.
    »Nein, natürlich nicht. Mein Gewissen ist so rein wie das Eure, Exzellenz«, log sie und wunderte sich, dass sie nicht rot wurde. »Ja, ich habe ein Mündel. Ihr Name ist Florence. Florence Taupin.«
    »Aha.« Mehr sagte er nicht und verschwand dieses Mal wirklich.
    Gregoria verfolgte ihn vom Fenster aus mit Blicken, als er über den Hof ging, zwei seiner Leute zu sich winkte und mit ihnen sprach. Die Männer sattelten daraufhin ihre Pferde und ritten aus dem Kloster. Sie ahnte, welcher Aufgabe sie nachgingen. Sie zogen Erkundigungen ein. Der Legatus verließ sich nicht auf ihre Worte. Die Äbtissin schaute wieder hinauf zum Kreuz. Es musste ihr etwas einfallen.
    Als sie zur Tür hinaus wollte, rannte sie in einen der gerüsteten Männer des Legatus hinein, der vor dem Eingang Posten bezogen hatte.
    »Verzeiht mir, ehrwürdige Äbtissin.« Er verneigte sich. »Legatus Francesco hat angeordnet, dass ich Euch beschützen soll, solange wir in Euren Mauern sind.«
    »Beschützen? Vor wem denn?«
    »Vor der Bestie«, erhielt sie zur Antwort. »Er meinte, es sei seine Art, sich für Eure Gastfreundschaft zu bedanken, indem er Euch und allen Nonnen von Saint Grégoire besonderen Schutz angedeihen lässt.«
    »Dann geht und sagt ihm, dass ich diesen Schutz nicht brauche. Dies ist ein Ort Gottes.«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Das müsst Ihr selbst tun, ehrwürdige Äbtissin. Ich folge lediglich seinen Befehlen.«
    Sie wollte eine erboste Antwort geben, beruhigte sich aber rasch, denn sonst würde sie das Misstrauen gegen sie nur bestätigen. »Ich danke euch. Und nun entschuldigt mich – es wird Zeit, dass ich mich zum Nachmittagsgebet zurückziehe. Ad majorem Dei gloriam, wie es so schön bei Eurem Orden heißt, nicht wahr?«
    Der Mann lächelte und schlug das Kreuz. »Zum höheren Ruhme Gottes.«
     
    16. Mai 1767, Kloster Saint Grégoire, in der Umgebung von Auvers
    Gregoria hatte von ihm geträumt.
    Von ihm und sich selbst. Er hatte sie besucht, nachts, in ihrem Gemach und mit ihr die Dinge getan, wie sie Mann und Frau tun, wenn sie ein verheiratetes Leben führen. Dinge, die sie früher getan und genossen hatte.
    Die wundervollen Eindrücke, die ihr der Schlaf bescherte, waren so wirklich, dass sie von einem heißen Gefühl in ihrem Unterleib erwacht war, das nicht sein durfte. Die Lust hatte in ihrem Leben als Äbtissin keine Rolle zu spielen. Ihr Verstand wusste das. Doch seit diesem Traum begehrte ihr Körper ihn noch mehr. Sie strafte sich für ihre Empfindungen mit doppelt harter Arbeit und noch mehr Bußgebeten.
    Herr, nimm sie von mir, die Gedanken, ich bitte dich. Oder gib mir die Einsicht, zu verstehen, warum ich sie habe und was sie bedeuten.
    Gregoria senkte den mit Haube und Schleier verhüllten Kopf noch tiefer, die Hände hielten den Rosenkranz. Sie kniete in der vordersten Bank der Klosterkirche schräg unter dem Kreuz.
    Es war der Abend vor der großen Pilgerfahrt nach Notre Dame

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