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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Handschrift war eindeutig weiblich – bat um die Versorgung des Kindes. Die Rede war außerdem von einem Fieber und einem Mann, der aus Italien stammte. Er musste Fragen gestellt haben.
    Mehr vermochte Florence nicht zu erkennen. Ein Brief, der harmlos klang und jemandem dennoch ihren Tod wert war. Natürlich gab es haufenweise Männer, die Charles hießen. Zwei bedeutsame in der Region trugen den Nachnamen de Morangiès. Ein Zufall?
    Das Rumpeln einer Kutsche, die auf das Kloster zuhielt, ließ sie den Kopf heben und nach draußen schauen. Es war ein gepanzertes Vehikel, wie man es hier auf dem Land nur selten sah; mit ihm wurden Steuergelder, Adlige oder Verbrecher transportiert. Um die Kutsche herum ritten dreißig Männer, und die Hälfte davon trug Musketen auf dem Rücken.
    Ist es der Bischof oder ein Adliger mit seinem Gefolge? Florence versuchte, an der Kutsche oder auf der Kleidung der Männer ein Wappen ausfindig zu machen. Merkwürdig, sie reiten ohne ein Zeichen. Söldner? Sie erschrak. Plünderer! Sie kommen, um Saint Grégoire zu überfallen.
    Sie war nicht die einzige aufmerksame Beobachterin. Die Nonne, die an der Pforte Dienst versah, rannte mit wehendem Habit über den Hof zum Haus der Äbtissin.
    Hastig suchte Florence ihr Stilett, dann kehrte sie ans Fenster zurück, um zu sehen, was geschah. Bald darauf eilte Gregoria gemeinsam mit der Nonne zum Eingang. »Ehrwürdige Äbtissin!«, rief Florence hinunter. »Was …«
    Gregoria schaute zu ihr hoch. »Bleib, wo du bist«, gab sie Anweisung. »Tritt vom Fenster zurück und sei unbesorgt.« Sie setzte ihren Weg fort.
    Florence erkannte, dass diejenigen der Männer, die keine Muskete mit sich führten, Pistolen in den Gürteln trugen. Ein jeder von ihnen besaß einen Degen oder zumindest einen langen Dolch, hier und da blitzten Harnische unter den Überwürfen auf.
    Dass sie trotzdem nicht sofort angefangen hatten zu schießen, beruhigte die junge Frau ein wenig. Aufmerksam beobachtete sie, wie Gregoria mutig vor das Tor trat und mit dem Vordersten der Truppe sprach. Räuber sind es demnach keine. Ihre Hände krampften sich ineinander, und sie tat sich vor Aufregung selbst weh.
    Die Äbtissin kehrte ins Kloster zurück, rief vier Nonnen herbei und öffnete das Tor, durch das der Tross in Saint Grégoire Einzug hielt. Im Innenhof saßen die Männer ab, ein Teil versorgte ihre Pferde, und sieben Männer gingen mit der Äbtissin in ihr Haus. Die Kutsche blieb verschlossen.
    Was wohl darin ist? Florence nahm sich ein Kissen vom Bett, legte es aufs Fensterbrett und schaute zu, was die unerwarteten Gäste taten.
     
    Der hellblonde Mann, der sich ihr als päpstlicher Legatus Giaccomo Francesco vorgestellt hatte, setzte sich, nachdem er sich in ihrem Schreibzimmer umgesehen hatte, auf einen Stuhl. Seine sechs Begleiter verteilten sich in dem kleinen Raum, so gut es ging. Die unerbittlichen hellgrünen Augen, die einem Inquisitor alle Ehre gemacht hätten, richteten sich auf ihr Gesicht. »Ihr versteht, dass ich mein Anliegen nicht vor den Augen und Ohren Eurer Ordensschwestern und Pilger vortragen wollte, ehrwürdige Äbtissin?«
    »Durchaus, Exzellenz.« Sie nahm hinter ihrem Tisch Platz und war erleichtert, dass sie etwas zwischen sich und dem Italiener hatte.
    »Ich soll Euch den Gruß Seiner Heiligkeit überbringen und für die Umsicht danken, die Ihr an den Tag legtet. Ihr wart es doch, die den Brief sandte, ehrwürdige Äbtissin?«
    »Soll ich es leugnen, wo Ihr meinen Brief in der Hand haltet, mit meiner Unterschrift darunter, Exzellenz?«
    »Und wie kommt es, dass Ihr den Brief so spät an den Heiligen Vater aufgegeben habt?«, hakte er sofort nach. »Die Wirtin, von der Ihr in Eurem Brief spracht, sagte uns, dass sie die Kleider schon Monate zuvor ins Kloster gab.«
    Gregoria saß kerzengerade, faltete die Hände zusammen und lächelte den Mann an. »Ich habe den Zettel durch einen Zufall entdeckt, als wir die Sachen waschen wollten, Exzellenz.« Sie betrachtete zuerst ihn, dann die anderen und machte durch ihre Miene keinen Hehl daraus, dass sie die Waffen missbilligte. »Ich wusste nicht, dass man gegen die Gesetze der heiligen Katholischen Kirche verstößt, wenn man sie über Unregelmäßigkeiten unterrichtet.«
    »Nein, Ihr habt gegen nichts verstoßen, ehrwürdige Äbtissin. Aber der Pontifex ist bei aller Dankbarkeit verwundert. Und ungehalten.« Er schaute zum Kreuz. »Wir sind hier, um die Umstände des Verschwindens unseres Bruders zu

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