Rivalen der Liebe
brauchte schon einiges, um ihn zu belustigen. Roxbury, die neuste Ausgabe der »Geheimnisse der Gesellschaft« und die Lady mit Klasse – das alles zusammen, das spürte der Mann, der sich auskennt, deutete auf den Anfang eines Skandals hin, der sich zu etwas noch viel Größerem ausweiten würde.
Kapitel 4
Im Büro der London Weekly 53 Fleet Street, London
Eine wütende Kutschfahrt in einer schlecht gepolsterten und übelriechenden Mietdroschke später war Roxburys Laune noch schlechter. Nach häufigem ruckartigem Anfahren, ebensolchem Abbremsen, nach hektischen Schreien in Richtung der langsamen Fußgänger und dank des unkontrollierten Verkehrs bog die Droschke schließlich in die Fleet Street ein. Sie rollte an vier Gasthäusern, an einigen Buchhändlern, Kaffeehäusern, Banken und anderen Geschäften vorbei, ehe sie endlich vor Nummer 53 hielt.
THE LONDON WEEKLY stand in goldenen Lettern auf einem massiven Holzschild direkt über der Tür. Subtil waren diese Leute nicht gerade.
Roxbury warf dem Kutscher ein paar Münzen zu, stürmte über die Straße und durch die Tür in das Gebäude. Zunächst musste er sich lautstark mit einem ungeheuren Monster von einem Kerl auseinandersetzen, der allen Ernstes behauptete, der Verleger zu sein. Roxbury ließ sich davon jedoch nicht täuschen. Eine schmerzhafte Prellung später und dank stundenlangen Trainings bei Gentleman Jack’s genügte ihm ein rascher, gezielter Schlag gegen die Schläfe des Mannes, um den Weg frei zu bekommen. Roxburys Faust war danach zwar gerötet und geschwollen, aber das war es ihm wert gewesen. Dank der Menge Brandy, die er schon intus hatte, konnte er den Schmerz wunderbar ignorieren.
Unbeirrt marschierte Roxbury zur Bürotür eines gewissen Mr. Derek Knightly: Redakteur, Herausgeber und Besitzer dieses Revolverblatts namens London Weekly .
Offensichtlich war dieser Knightly der Mann, der für diese infamen Lügen der Lady mit Klasse verantwortlich war. Und genau das würde Roxbury jetzt tun – ihn zur Verantwortung ziehen.
»Sir!«
»Halt!« Hinter ihm schrien Stimmen. Er ignorierte sie jedoch geflissentlich. »Sie können da nicht rein!«
Roxbury schnaubte. Für diesen Abschaum der schreibenden Zunft blieb er doch nicht stehen! Im Gegenteil, er würde das Büro dieses Mr. Knightly stürmen. Er dachte an den Skandal, an die Lügen und die Kräfte, die gerade sein Leben zerstörten. Seine Entscheidungsgewalt war ihm genommen worden. Sein Name in den Dreck gezogen. Seine Ehre beschmutzt. Ein weiß lodernder Zorn brachte Roxburys Blut entsprechend in Wallung. Er verlangte Rache und würde nicht ruhen, ehe er Satisfaktion bekommen hatte.
Alser jedoch schwungvoll die Tür geöffnet hatte, traute er seinen Augen kaum: Auf der Ecke des Schreibtischs hockte niemand anders als … eine Frau!
Sie war eine Schönheit. Kastanienbraunes, hochgestecktes Haar. Grüne mandelförmige Augen, was ihr eine geheimnisvolle Aura verlieh. Ihre Haut war von jener milchigen, zarten Art, die man sofort lecken wollte. Sie zeigte viel von dieser verführerischen Haut: eine glatte Stirn, einen schlanken Hals und ein tiefes Dekolleté.
Auf dem Dekolleté beziehungsweise etwas tiefer, verharrte Roxburys Blick schließlich, und obwohl das Blut ihm noch immer heiß durch die Adern schoss, ebbte seine Wut ab. Zumindest ein wenig.
»Ich habe Euch bereits viel früher erwartet«, schnurrte sie förmlich und musterte Roxbury in aller Ruhe. Mit diesen Worten verriet sie ihm eigentlich, was er wissen wollte.
Es konnte keinen Zweifel geben: Vor ihm saß diese verdammte Lady mit Klasse! Sie kam ihm vertraut vor, also waren sie sich bereits begegnet – wahrscheinlich auf Bällen und bei Soireen. Er hatte sie auf jeden Fall schon gesehen; vorgestellt waren sie sich bisher allerdings noch nicht worden. Wie lautete denn nur ihr Name?
»Mr. Knightly, dieser erzürnte Mann hier ist Lord Roxbury«, sagte sie zu dem Mann, der entspannt in dem Sessel hinter dem Schreibtisch saß. Der Besitzer der beliebtesten und profitabelsten Zeitung Londons war ein fast jugendlicher Kerl mit schwarzem Haar und stechend blauen Augen. Sie stellte ihn nun ebenfalls vor. »Lord Roxbury, darf ich Euch Mr. Derek Knightly vorstellen?«
Roxbury sah sie scharf an. Diese grünäugige Teufelin, die ihn wie die perfekte Gastgeberin bei einem Ball ganz entspannt vorstellte, war der Grund für seinen Niedergang. Diese – wie auch immer ihr Name lautete – war in dieser unglaublichen Situation so
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