Rivalen der Liebe
Ernstes, ein Mann, erst recht ein Mann wie er, würde sich wegen etwas so Trivialem und Unbedeutendem aufregen!
»Nun ja, Ihr kommt hier hereingestürmt und knallt Türen«, sprach sie weiter und setzte ein arrogantes kleines Lächeln auf. »Ich warne Euch, lieber nicht in Tränen auszubrechen, denn das wäre mir bestimmt eine Schlagzeile wert. Was werden unsere Leser nur von Euch denken?«
Ein verweichlichter, verheulter Schwuchteldandy , das würden sie denken.
Roxbury registrierte nur vage, wie er die Hände zu Fäusten ballte, und der Schmerz, der in seine rechte Hand schoss, erinnerte ihn allzu schmerzlich daran, dass er sie heute schon eingesetzt hatte, um anderen Leuten Schaden zuzufügen.
»Was wird der werte Leser wohl erst von Euch denken, Lady Somerset «, fragte er. Erleichterung überkam ihn. So ein Glück, er hatte sich an ihren Namen erinnert! »Was wird das wohl geben, wenn man von Eurem geheimen Leben erfährt?«
Die Lady schwieg. Dann blinzelte sie mehrmals hintereinander, als müsse sie den Anflug einer Panik niederringen. Und dann antwortete sie, wieder begleitet von diesem beiläufigen Schulterzucken: »Das ist ein offenes Geheimnis, Mylord.«
»Diese Verdächtigungen und die Geheimniskrämerei spielen Euch in die Tasche, dessen bin ich mir sicher. Aber was passiert wohl, wenn Lady Carrington die Bestätigung erhält, dass Ihr es wart, die vom Durchbrennen ihrer Tochter berichtete? Oder dass Ihr der Londoner Gesellschaft von Lord Wilcox’ Faible erzählt habt, Frauenunterwäsche zu tragen? Was wird dann aus Eurem Ruf?« Roxbury unterstrich seine Worte mit einem anzüglichen Hochziehen der Brauen.
»Ihr habt keinen sicheren Beweis dafür, dass ich die Lady mit Klasse bin.« Lady Somerset lächelte ihn gewinnend an, und es machte ihn schier rasend, wie hübsch ihr Mund war, wenn sie ihn aufreizend und zugleich lieb verzog. Es entsetzte ihn, dass er sich vorstellte, wie er sie jetzt küsste – hier und jetzt, ein Kuss mit ihr …
Sie zog sich von ihm zurück. Er stellte sich ihr in den Weg und machte sich dabei noch größer. Er straffte die Schultern, um sie mit seiner Körpergröße noch mehr einzuschüchtern.
Lady Somerset brauchte nur leicht den Kopf in den Nacken zu legen, um seinen Blick zu erwidern. Und das tat sie, mit funkelndem, herausforderndem Blick. Er kniff die Augen zusammen. Nicht jetzt. Nicht hier. Er war wegen etwas anderem hier.
»Man hat mich in aller Öffentlichkeit bloßgestellt. Die Konsequenzen für meinen Ruf sind massiv und irreparabel«, sagte er fest.
Sie blinzelte.
Roxbury trat einen Schritt nach vorn. Sie einen nach hinten. Noch ein paar Schritte weiter, und sie stünde mit dem Rücken zum Fenster, das auf die Fleet Street ging. Aus irgendeinem ihm unerklärlichen Grund hämmerte Roxburys Herz.
»Ich habe Euch vor der Veröffentlichung einen Brief geschickt und angeboten, die Informationen gegen die Zahlung einer gewissen Summe zurückzuhalten. Ihr habt ihn ignoriert«, sagte sie.
Zeitungen verdienten ein Vermögen mit diesen erpresserischen Methoden. Er hätte das Zehnfache bezahlt, wenn diese Geschichte nie ans Licht der Öffentlichkeit gedrungen wäre. Aber er hatte nie eine Chance gehabt, einzugreifen.
Vermutlich hatte sie den Brief an seine Privatadresse geschickt, wo er sich nur selten aufhielt. Vermutlich lag er noch immer ungeöffnet dort im Stapel mit den zahllosen Einladungen und Aufforderungen seines Vaters und den Rechnungen. Nach Zahlung einer bescheidenen Summe wäre all das gar nicht passiert … Roxburys Herz hämmerte.
Der in ihm aufwallende Zorn war nahe an dem Zustand, den man mit »rot sehen« umschreibt, und fast erwartete Roxbury, jeden Moment eine heftige Explosion aus Purpurrot, Blutrot und Zinnoberrot vor seinem Inneren zu sehen.
»Ihr bewegt Euch nun ja bereits seit geraumer Zeit in der Gesellschaft, Roxbury. Daher wisst Ihr sicher, dass solche Dinge irgendwann vergessen sind«, erklärte Lady Somerset fröhlich und machte einen weiteren Schritt zurück. Ohne darüber nachzudenken, tat er einen auf sie zu.
»Die Zeit habe ich aber nicht«, zischte er durch zusammengebissene Zähne. Scharlachrot. Rubinrot. Weinrot. Blutrot.
»Ach nein? Warum denn nicht?« Die bezaubernde Lady Somerset neigte den Kopf zur Seite und blickte neugierig zu ihm auf. Sie strahlte etwas Unschuldiges aus, doch er ging davon aus, dass diese Unschuld nur gespielt war – immerhin war sie verwitwet, eine Klatschkolumnistin und zudem gerade allein im
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