Rivalen der Liebe
hatte?
Ein großes Vergnügen war für ihn, zum ersten Mal die Zeit zu haben, eine Frau zu entdecken und sie richtig kennenzulernen. Zu merken, wann sie seufzte, oder zu beobachten, wie sie ihre Röcke glattstrich, wenn sie nervös war. Und sei es nur die Erkenntnis, wie sie gerne geküsst wurde – das alles war neu und aufregend für Simon.
»Ein wunderbarer Anfang für unsere Ehe«, bemerkte er.
»Werdet Ihr mir treu sein, Roxbury?«, fragte Julianna ihn rundheraus.
Es kostete ihn Überwindung, nicht unruhig auf der Polsterbank herumzurutschen. Hatte er nicht erst vor wenigen Stunden genau darüber nachgedacht? Und war zu der Erkenntnis gelangt, dass es durchaus im Rahmen des Möglichen war? Oder war das eine Wahnidee? War dies nicht auch irgendwie eine Liebesaffäre? Nein, jetzt, wo Julianna ihm gleichsam die Pistole auf die Brust setzte, kam ihm diese Ehe eher wie ein Pakt mit dem Teufel vor.
»Wollt Ihr eine ehrliche Antwort, Julianna? Oder habt Ihr gerade einen zarten Moment und möchtet getröstet werden?«, fragte Roxbury angriffslustig.
»Ehrlichkeit, wenn ich bitten darf«, antwortete sie.
»Für den Moment, ja. Ich werde Euch treu sein. Aber auf Dauer kommt es ganz darauf an«, erwiderte er wahrheitsgemäß.
»Darauf, ob ich Euch eine gute Ehefrau bin?«, hakte sie nach.
»Ja. Und vermutlich noch auf ein Dutzend andere Faktoren. Aber im Moment gehöre ich ganz und gar Euch, Julianna.« Das hatte er so noch zu keiner Frau gesagt. Aber hier lagen die Dinge anders. Es ging um sie , und sie hatten einander gerade erst die Treue geschworen. Und er wusste tief in seinem Innern, dass das hier nicht irgendeine flüchtige Affäre sein würde.
»Roxbury, ich habe noch eine Frage.«
»Wenn man mit einer Reporterin zusammenlebt …«, scherzte er und lächelte sie warmherzig an.
»Im Haus Eures Vaters hängt dieses Porträt …«
Sein Lächeln verging, als Julianna nicht weitersprach. Sie bezog sich auf das große Familienporträt über dem Kamin im Salon. Er hatte gesehen, wie sie es vor dem Essen mehrmals angesehen hatte. Diese Frage kam also nicht ganz unerwartet. Trotzdem wusste er nicht, was er darauf antworten sollte.
»Erzählt mir, wie Ihr Somerset das erste Mal begegnet seid«, sagte er.
»Touché, Roxbury«, sagte sie. »Wir sollten unsere Neugier über die dunklen Geheimnisse des anderen wohl lieber aufheben, bis wir einen gewissen Grad der Vertrautheit erreicht haben oder …«
»Alles zu seiner Zeit, liebe Gattin«, sagte Simon. Ihnen blieb noch ihr ganzes Leben zusammen. Bei dieser Erkenntnis musste er hart schlucken.
Endlich blieb die Kutsche vor seinem Stadthaus stehen. Ein Lakai erwartete sie schon, doch Roxbury bedeutete ihm, beiseitezutreten.
»Julianna«, sagte er und nahm ihre Hand in seine. Er blickte ihr tief in die Augen.
Sie hatte wunderschöne Augen. Ein helles Grün, das von dunklen Wimpern beschattet wurde. Ihr Blick war wie immer sehr ehrlich und durchdringend. Ihr Mund allerdings war jetzt anders. Biss sie sich aus Angst oder vor Verärgerung auf die Lippe? Lächelte sie geheimnisvoll oder schmollte sie? Im Moment fand er ihre Lippen einfach nur … wie zum Küssen erschaffen.
Es bestand tatsächlich eine sehr große Wahrscheinlichkeit, dass er sich nicht allzu sehr langweilen würde in ihrer Ehe.
»Keiner von uns beiden wollte diese Ehe«, begann er. »Aber jetzt stecken wir nun mal in der Sache drin, und es gibt kein Zurück mehr für uns. Wir haben einander schon bewiesen, dass wir durchaus in der Lage sind, das Leben des anderen zu zerstören. Ich schlage daher vor, wir bemühen uns wenigstens, diese Ehe zu einem Erfolg zu machen. Ich bitte Euch lediglich um einen Waffenstillstand.«
»Absolute Ehrlichkeit und Zweckmäßigkeit. Das ist mir immer noch die liebste Herangehensweise bei einer Romanze«, bemerkte sie und seufzte. Das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, konnte er allenfalls als schüchtern bezeichnen. Das war schon ein merkwürdiger Gedanke – Julianna und schüchtern.
»Waffenstillstand also, Roxbury«, sagte sie und streckte ihm die Hand hin.
Er nahm sie und führte sie an seine Lippen, um sie zu küssen. Danach hielt er ihre Hand noch einen Moment länger als nötig, um die Wärme ihrer Rechten in der seinen und diesen zärtlichen Moment zu genießen. Und dann geleitete Roxbury seine Braut in die verheerend eingerichtete Bleibe eines Junggesellen, die nun, von einem Moment auf den nächsten, das Heim eines frischvermählten Paares sein
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