Rivalen der Liebe
mit offenen Armen willkommen heißen, wenn unsere Ehe, die aus einem Skandal erwuchs, binnen einer Woche scheiterte?«
Julianna schaute beiseite. Er hatte natürlich recht, und das wusste sie ganz genau, wenngleich sie es verabscheute, das offen zuzugeben.
Aber sie konnte es nicht über sich bringen, ihm von ihrem Heimweh zu erzählen. Und genauso wenig konnte sie ihm erzählen, wie sehr sie fürchtete, sich durch diese Ehe zu verändern. Trotzdem sehnte sie sich danach, sich in seiner Umarmung zu verlieren. Obwohl das mindestens so gefährlich wäre, wie es sie trösten würde.
Als Roxbury wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme sanfter.
»In guten wie in schlechten Tagen, Julianna. Wir brauchen einander. Zumindest noch ein kleines Weilchen.«
Und dann wagte Roxbury es, ihr eine Strähne ihrer Haare aus dem Gesicht zu streichen. Es war so eine sanfte, besitzergreifende und zärtliche Geste, dass sie davon völlig überrumpelt wurde. Vor allem, da sie ja eigentlich vorgehabt hatte, ihn zu verlassen.
Es kostete Julianna all ihre Selbstbeherrschung, ihn nicht für eine Umarmung an sich zu ziehen oder ihre Lippen seinem Mund für einen Kuss entgegenzustrecken.
Das war doch Wahnsinn ! Es wäre so herrlich, ihn jetzt zu küssen, aber wie konnte daraus etwas Gutes erwachsen, wenn sie jetzt einfach ihren Wünschen nachgab?
Julianna entschlüpfte Roxburys Armen schnell und schlenderte dann zu ihrem Gemach. Er folgte ihr – nicht nur bis zur Türschwelle, sondern bis in ihr schreckliches Schlafzimmer hinein. Beim Anblick von so viel Pink verzog er das Gesicht.
Es sah aus, als habe eine Bombe eingeschlagen: Penny stand zwischen riesigen Kleiderbergen aus rosa, grünen, grauen und blauen Seidenstoffen und Satin. Zwei Truhen standen zudem offen, aus denen Schuhe, Haarbänder und Unterwäsche quollen.
»Deine Herrin wird noch bleiben. Du kannst also mit dem Packen aufhören«, wies Roxbury sie an.
Penny besaß Gott sei Dank die Geistesgegenwart, Julianna fragend anzusehen. Widerstrebend nickte sie, obwohl die Wut in ihr langsam hochkochte. Roxbury hatte leider Recht, und die Vernunft gebot ihr, seiner Forderung nachzukommen. Dass das ihren eigenen Wünschen absolut zuwiderlief, durfte jetzt keine Rolle spielen.
Julianna schluckte. Ihr Schlafzimmer war so verdammt pink, und sie sehnte sich so sehr nach seiner Berührung … aber sie durfte diesem Wunsch niemals nachgeben. Wenn sie sich auch nur eine Sekunde lang vergaß, würde sie sich sofort in ihn verlieben, das spürte Julianna überdeutlich. Und das wäre ihr Untergang. Denn wenn der berüchtigte Lebemann in ihm von seinem Dasein als braver Ehegatte genug haben würde und er wieder auf die Pirsch ging, wäre das ein schwerer Schlag für sie. Ein so schwerer Schlag, dass sie sich vermutlich nicht davon erholen würde.
Sie wollte nicht hier sein, aber erst recht nicht wollte sie sich von ihm herumkommandieren lassen.
»Wenn Ihr schon geht, Mylady, werde ich schnurstracks nach St. Bride’s gehen und dem Mann, der Bescheid weiß, erzählen, wer Ihr seid. Dann könnt Ihr Eurer Kolumne wirklich auf immer Lebewohl sagen und wärt für den Rest Eures Lebens in dieser Ehe gefangen«, drohte Roxbury.
Ohhh! Erst stürmte er in ihr Schlafgemach, dann kommandierte er sie herum – und jetzt drohte er ihr auch noch? Das war absolut und in jeder Hinsicht inakzeptabel ! Worte reichten nicht, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen. Julianna nahm das nächste greifbare Objekt zur Hand, was zufällig ein mit Edelsteinen besetzter und mit Satin bezogener Schuh war – und warf ihn nach Roxbury.
Aber sie traf nur die Tür, die sich in diesem Moment bereits hinter ihm schloss.
Kapitel 34
Gentleman Jack’s
Später an diesem Tag
Diese Frau – seine Ehefrau! – trieb ihn noch in den Wahnsinn. Julianna war Logik und gesundem Menschenverstand durchaus zugeneigt, wenn man ihr damit kam. Aber sie schien nie selbst auf die Idee zu kommen, nach diesen Prinzipien zu handeln. Das war eigentlich komisch, denn sie war eine kluge, gewitzte und scharfsichtige Frau.
Du lieber Himmel, dass er ihr immer und immer wieder ihre Situation erklären musste … Das machte ihn fast schon gewalttätig. Da es für ihn aber nicht in Frage kam, seinen Frust an ihr auszulassen, kam er hierher. In Gentleman Jack’s Boxclub.
Roxbury schlüpfte aus dem Jackett, der Weste und dem Hemd, um sich für den Kampf vorzubereiten.
Julianna hatte nach nur zwei Tagen versucht, sich aus der Ehe zu stehlen.
Weitere Kostenlose Bücher