Rivalen der Liebe
auf Alistairs.
»In eine leidenschaftliche Bitte, man möge doch anständig bleiben. So würde sie es wohl sagen, aber ›Tirade‹ ist wohl passender. Sie hielt also dem jungen Paar eine ihrer Predigten, das teilweise entkleidet und zu Tode erschrocken vor ihr stand. Und während dieser großen Ansprache versäumte sie es nicht, mindestens viermal ihr Buch Lady Stewart-Wortlys Alltägliche Andachten für fromme und feine Damen zu erwähnen, dessen Lektüre etwas Derartiges unter Garantie verhindert hätte. Natürlich wurde die Szene in kürzester Zeit zu einem Tumult. Und wie es von da an weitergeht, wirst du dir unschwer denken können.«
»Wann ist die Hochzeit?«
»Nächsten Samstag«, antwortete Alistair. »Ein weiterer Höhepunkt des Abends war noch Lady Charlotte Brandon, die Lady Stewart-Wortly sehr direkt und vor der versammelten Menge fragte, ob sie nicht doch lieber über das Kapitel in ihrem Buch sprechen sollten, nach dem eine Frau vor allem gesehen werden sollte, aber nicht gehört.«
Julianna brach bei dieser Schilderung in schallendes Gelächter aus. Es schien ewig her zu sein, dass sie das letzte Mal aus vollem Herzen gelacht hatte. Aber sie konnte sich einfach zu gut den Blick vorstellen, den Lady Charlotte dabei aufgesetzt hatte. Sie war eine Meisterin darin, gespielt unschuldig zu schauen, und wendete diesen Blick recht oft an. Vor allem auf Nervensägen wie Lady Stewart-Wortly. Die war bestimmt rot wie eine Himbeere geworden, hatte den Mund geschürzt und ihre Augen zusammengekniffen, was sie noch verkniffener und mürrischer aussehen ließ als sonst.
Julianna gluckste fröhlich vor sich hin und bemerkte erst nach einigen Momenten, dass Alistair gar nicht mehr lachte. Sein plötzlicher Ernst rührte offenkundig daher, dass Roxbury in der Zwischenzeit nach Hause gekommen war. Und er schien nicht besonders erfreut über Alistairs Anwesenheit. Oder über die Tatsache, dass er Julianna allein in Anwesenheit eines Gentleman vorfand, der nicht ihr Ehemann war. Missmutig starrte Roxbury auf ihre Hand, die liebevoll auf Alistairs lag. Ihre Wangen waren vom Lachen von einem rosigen Hauch überzogen.
Roxbury stand einfach nur in der Tür. Und in seinem Ärger sah so atemberaubend gut aus, dass Julianna kaum Luft holen konnte. Etwas an ihm war eindeutig anders.
Er trug keine Krawatte, und das Hemd stand am Hals offen und bot ihr einen winzigen Einblick auf die nackte Haut darunter. Sie sah zwar nur einen kleinen Ausschnitt seiner breiten Brust – den Rest konnte sich ihre Fantasie aber recht lebhaft ausmalen. Er hatte auf die Weste verzichtet, und das Hemd klebte an seiner Haut. Seine Fäuste waren gerötet und sahen abgeschürft aus.
Damit zeigte er ihr eine völlig neue Facette seiner selbst: Es gab den Roxbury, der abends ausging und sich gerne zurechtmachte. Es gab den Roxbury am Morgen, der zerwühlte Haare hatte und auf unperfekte Art einfach wunderbar war. Und dann war da noch der grobe Roxbury, wie sie ihn jetzt vor sich sah. Für Julianna wirkte es so, als habe er gerade einen Kampf bestritten.
So hatte sie ihn noch nie gesehen. Es war aufregend, beängstigend und zugleich auch beruhigend.
Vor allem der Ausdruck seiner Augen aber bannte Julianna: Roxbury beäugte Alistair mit einem wilden, fragenden Blick, ehe er sie dreist von oben bis unten musterte, als suchte er nach einem Härchen, das nicht an seinem Platz saß, oder einer Korsettstange, die gelockert war. Niemand hatte sie je so angeschaut. Wenn sie sich nicht täuschte, lagen in diesem Blick eindeutig Besitzerstolz und Beschützerinstinkt gleichermaßen.
Wie verwirrend. Was hatte das alles zu bedeuten? War dieser verwirrende Blick der Grund, warum ihr Herz wie wild hämmerte?
Es dauerte einen Moment, ehe Julianna ihre Stimme und ihre Manieren wiederfand und die beiden Männer miteinander bekannt machte. Die Gentlemen bedachten einander mit einem kühlen Nicken und wurden damit den Regeln der Höflichkeit gerade noch gerecht.
»Wie nett von Ihnen, sich die Zeit zu nehmen und meine Frau zu unterhalten. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen«, sagte Roxbury tonlos und ging.
Wie unglaublich grob von ihm, ihre Freunde so respektlos zu behandeln!
» Mein Gott, da hast du ja ein hübsches Kerlchen erwischt, Jules«, murmelte Alistair entsetzt.
»Ich glaube auch«, meinte sie so beiläufig wie möglich, obwohl er eigentlich nur ausgesprochen hatte, was sie insgeheim dachte.
»Er wollte mich am liebsten in der Luft zerreißen«, fügte
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