Rivalen der Liebe
getrieben, doch er war für den Moment nicht sicher, ob es der Gedanke oder der Schlag war, der ihm den Atem raubte.
Kapitel 35
Im Salon
Wenn Julianna schon nicht nach draußen gehen konnte, musste die Welt eben zu ihr hereinkommen. Daher hatte sie Alistair für heute Nachmittag zum Tee eingeladen, und die Schreibfräulein hatten ihr Kommen für den morgigen Tag angekündigt. Wäre sie sicher gewesen, dass irgendwer ihre Einladung annehmen würde, hätte sie liebend gerne auch eine Dinnerparty gegeben.
So verzweifelt war Julianna darum bemüht, nicht mit ihrem Ehemann allein sein zu müssen. Oder mit sich, wenn er unterwegs war – Gott allein mochte wissen, wo er sich herumtrieb. Wenn sie zusammen waren, wurde sie von dem sehnlichen Wunsch gequält, sich ihm einfach in die Arme zu werfen oder ihm die zerzausten Haare aus den Augen zu streichen. Julianna knabberte an ihrer Unterlippe und erinnerte sich in aller Deutlichkeit an den einen, wunderschönen Kuss. Sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie erneut in den Genuss dieser Erfahrung kommen würde.
Wenn sie dann alleine war, wurde sie von den Gedanken an die Männer gequält, die sie wütend machten: Roxbury, Knightly, der Mann, der Bescheid weiß. Ihre Gefühle diesen Kerlen gegenüber war eine verwirrende Mischung aus Leidenschaft, Lust, Gewalttätigkeit und großer Neugier. Und das erschöpfte sie über die Maßen.
Später an diesem Nachmittag war darum Alistair offiziell ihr erster Gast, den sie als Lady Roxbury empfing. Es war eigentlich sehr passend, denn immerhin war er auch Zeuge jener schicksalhaften Szene gewesen, die letzten Endes Roxbury und sie zusammengeführt hatte.
»Was für eine interessante Wahl des Dekors«, bemerkte Alistair fröhlich, als er sich im Haus umsah. »Wer zeichnet verantwortlich für diese …«
»Du meinst für diese Geschmacklosigkeit?«, half Julianna ihm und grinste.
»Ich wollte eigentlich von einer vergewaltigten Schönheit sprechen, aber Geschmacklosigkeit würde in diesem Fall auch passen«, sagte Alistair, und sie lachte zum ersten Mal seit Tagen.
»Ich habe keine Ahnung. Ich vermute, es war eine rachsüchtige ehemalige Mätresse«, antwortete Julianna ihm wahrheitsgemäß.
»Eine betrunkene, blinde und rachsüchtige Mätresse?«, fragte er. Obwohl seine Frage alles andere als höflich war, gelang es ihm, dass seine Stimme so klang.
»Gut möglich«, murmelte Julianna. Alistair heiterte sie wirklich auf.
Gemeinsam hatten sie sich auf das rote Samtsofa im Salon gesetzt und blickten sich schweigend im Raum um. Die Wände waren mit goldenem Damast bespannt und die Stühle mit einem Samt, dessen Farbe man mit viel gutem Willen als Kirschrot bezeichnen konnte. Die Kunstwerke an den Wänden waren Hundeporträts, gefasst in schwere Holzrahmen. Und die Vorhänge … Julianna fand keine Worte.
»Das ist alles nur meine Schuld«, lamentierte Alistair, und Julianna war nicht sicher, ob er dieses Zimmer meinte oder den Umstand, dass sie darin leben musste, oder womöglich etwas völlig anderes. »Ich hätte dich niemals hinter die Bühne begleiten dürfen.«
»Alistair, sei nicht albern. Wir wissen doch beide, dass du mich unmöglich hättest aufhalten können«, sagte sie beschwichtigend und reichte ihm eine Tasse Tee.
»Eine nur allzu deprimierende, aber dennoch wahre Tatsache«, beharrte Alistair.
Julianna nippte an ihrem Tee. Bisher war Roxbury der Einzige, der es gewagt hatte – und zwar mit Erfolg! –, ihr seinen Willen aufzuzwingen.
»Ach, lass uns einfach nicht weiter darüber sprechen«, sagte sie dann leichthin und zuckte betont fröhlich die Schultern. »Erzähl mir lieber den neusten Tratsch, Alistair. Ich verzweifle hier noch, wenn ich keine Neuigkeiten über die Probleme anderer Leute höre.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, meinte er mit einem Grinsen und legte auch sofort los: »Das Neueste habe ich gestern Abend gehört. Lady Stewart-Wortly hat die junge Miss Montagu in einer sehr delikaten Situation mit dem jüngsten Sohn des Duke of St. Alban ertappt. Es geschah bei einem Fest in der Bibliothek des Gastgebers. Sie sollen beide unbekleidet gewesen sein – was selbstredend keine Fragen offenließ. Dazu kam noch, dass ihr Haar zerwühlt gewesen sein muss, und so weiter und so fort. Du verstehst, worauf ich hinauswill? Nun, als Lady Stewart-Wortly die beiden erwischte, verfiel sie natürlich in eine ihrer bekannten …«
»Tiraden?«, fügte Julianna hinzu und legte ihre Hand
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