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Rivalin der Götter erbin3

Rivalin der Götter erbin3

Titel: Rivalin der Götter erbin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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alte Kleidung, die den Eindruck erweckte, als ob sie von einem Zehntenstapel der Weißen Halle stammte. Sein ungepfegtes Haar hatte seit Tagen keinen Kamm mehr gesehen. Er ging an einer der Frauen vorbei und stolperte. Mit einer Hand stützte er sich an ihrem Rücken ab und entschuldigte sich hastig. Das war gut gemacht; er war unter Verbeugungen im Strudel der Fußgänger verschwunden, bevor die Frau seine Berührung überhaupt bemerkt hatte.
    Ich grinste entzückt. Dann hüpfte ich von meinem Mülleimerdeckel herunter. Ein anderer Mann kam sofort herbei, beanspruchte den Platz für sich und warf mir einen angrifslustigen Blick hinterher. Ich eilte dem Jungen nach.
    Es dauerte einen halben Block, bis ich ihn eingeholt hatte. Er war klein und schlängelte sich so geschickt durch die Menge wie eine Wasserschlange durch Schilf. Ich war erwachsen und musste höfich sein. Doch ich ahnte, dass er zu einer Gruppe Kinder wollte, die um einen Stand herumliefen und Tamarindensaft verkauften. Das erleichterte es, ihn abzufangen, kurz bevor er sie erreichte. Ich erwischte seinen dünnen, drahtigen Arm und blieb wachsam, denn Jungen in seinem Alter waren nicht wehrlos. Sie hatten keine Bedenken zu beißen. Außerdem traten sie gern in Rudeln auf.
    Der Junge fuchte mit mehrsprachigen Schimpfwörtern und versuchte sofort, sich loszureißen. »Lass los!«
    »Was hast du geklaut?«, fragte ich und war aufrichtig neugierig. Bei der Frau war kein Geldbeutel zu sehen gewesen. Wahrscheinlich fürchtete sie sich vor genau dem, was ihr widerfahren war. Doch möglicherweise war etwas unter ihrer Kleidung gewesen. »Schmuck? Einen Schal oder Ähnliches? Oder hast du es tatsächlich
geschaft, in ihre Tasche zu fassen?« Wenn das der Fall war, war er ein Meister seines Handwerks und perfekt für meine Zwecke geeignet.
    Seine Augen weiteten sich. »Hab nix g’klaut! Wer zur Hölle …« Plötzlich zuckte er zusammen und packte mein Handgelenk, das gerade aus seiner Tasche wieder zum Vorschein kam. Ich hatte nur eine Münze erwischt. Meine Hände waren jetzt zu verdammt groß, um vernünftig Taschendiebstahl zu betreiben. Doch sein Gesicht hatte eine lila Färbung vor Wut und Verblüfung angenommen. Ich grinste.
    Ich hob die Hand mit der Münze und schloss meine Finger darum. Für diesen Trick benötigte ich nicht einmal Magie: Ich öfnete meine Hand wieder, und darin befanden sich nun zwei Münzen – seine und eine aus meiner eigenen Tasche.
    Der Junge erstarrte und gafte die Münzen an. Er nahm keine von beiden, doch sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich gerissen und lauernd. »Was willste?«
    Jetzt, da ich seine Aufmerksamkeit hatte, ließ ich ihn los. »Dich anheuern. Und Freunde von dir mit ähnlichen Neigungen.«
    »Wir wollen keinen Ärger.« Das umgangssprachliche, kondensierte Senmitisch, das er verwendet hatte, verschwand so schnell wie er, nachdem er den Geldbeutel der Frau geklaut hatte. »Die Bewahrer lassen uns in Ruhe, solange wir uns auf Taschen und Geldbeutel beschränken. Für alles andere würden sie uns zur Strecke bringen.«
    Ich nickte und wünschte, ich könnte ihn mit Sicherheit segnen. »Ich will nur, dass ihr euch umschaut«, sagte ich. »Bewegt euch durch die Menge, seht, was ihr sonst auch seht, tut, was ihr sonst auch tut. Doch wenn ihr es zulasst, kann ich durch eure Augen schauen.«
    Er hielt den Atem an. Einen Moment lang konnte ich seinen Ausdruck nicht deuten. Er war erstaunt, skeptisch, hofnungsvoll und ängstlich gleichzeitig. Zu viele Gefühle. Doch er studierte
mein Gesicht plötzlich mit solcher Intensität, dass mir erst viel zu spät auffiel, was er dachte. Als ich es bemerkte, grinste ich. Und das reichte: Seine Augen wurden so groß wie Wagenräder.
    »Gauner, Gauner«, füsterte er. »Stahl die Sonne nur aus Spaß.« En pulsierte an meiner Brust und war zufrieden, dass sie erwähnt wurde.
    »Jetzt nicht beten«, sagte ich und legte eine Hand an seine Wange. »Ich bin heute kein Gott, nur ein Mann, der deine Hilfe braucht. Wirst du sie mir geben?«
    Er neigte seinen Kopf einen Hauch formeller, als er es hätte tun müssen. Ah, er war großartig. »Deine Hand«, sagte ich. Er bot sie mir erneut an.
    Ich hatte immer noch einige Wege, wie ich Magie anwenden konnte, doch waren diese primitiv und schwach. Es war einfach unter meiner Würde, sie anzuwenden. Das Universum hörte mir nicht mehr so zu wie früher, doch solange ich die Bitten einfach hielt, gehorchte es murrend. »Sehe«, sagte ich in

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