Rivalin der Götter erbin3
auf eine Seite gekippt. Entweder
hatte sie einen gesunden Schlaf, konnte anderen hervorragend etwas vormachen, oder Naha sorgte dafür, dass sie weiterschlief. Wahrscheinlich war das Letztere, wenn man das Thema unserer Unterhaltung bedachte.
Sie hatte versucht, mir zu helfen.
»Sind wir jetzt Arameri?«, fragte ich. Meine Stimme war schärfer als sonst, tief und rau. Ich vergaß immer wieder, dass ich keine Kinderstimme mehr hatte. »Sind wir dazu bereit, die Liebe selbst zu pervertieren, um zu bekommen, was wir wollen?«
»Ja.« Ich wusste, dass er es ernst meinte, weil die Temperatur im Zimmer plötzlich um zehn Grad fiel. »Die Arameri sind in einer Beziehung weise, Si’eh: Sie erweisen ihren Feinden keine Gnade. Ich werde nicht riskieren, Itempas’ Wahnsinn wieder zu entfesseln. Er lebt nur deshalb, weil das Reich der Sterblichen nicht ohne ihn existieren kann und weil Yeine um sein Leben gefeht hat. Nur aus diesem Grund habe ich ihm erlaubt, seine Tochter zu behalten. Dämonin, geliebte … sie ist eine Wafe, und ich gedenke, sie zu benutzen.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hast bereut, was du den Dämonen angetan hast, Naha, hast du das schon vergessen? Sie sind auch unsere Kinder, hast du gesagt …«
Er kam näher und streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus. »Du bist das einzige Kind, das mir jetzt etwas bedeutet.«
Ich zuckte zurück und schlug seine Hand beiseite. Seine Augen weiteten sich überrascht. »Was zur Hölle bist du für ein Vater? Du hast schon immer derartige Dinge gesagt, einige von uns besser behandelt als andere. Götter, Naha! Wie verdreht ist denn das?«
Schweigen senkte sich über uns. Darin verkrampfte sich meine Seele. Nicht vor Angst, sondern weil ich genau wusste – oder gewusst hatte –, warum er seine Kinder nicht alle gleichermaßen liebte. Abgrenzung, Abwechslung, Würdigung des Einzigartigen: Das war Teil von dem, was ihn ausmachte. Seine Kinder waren
nicht gleichartig, also waren seine Gefühle ihnen gegenüber nicht dieselben. Er liebte uns alle, aber auf verschiedene Weisen. Aus diesem Grund tat er auch nicht so, als ob Liebe fair oder gleich war. Sterbliche konnten sich für einen Nachmittag oder für den Rest ihres Lebens vereinigen. Mütter konnten ihre Zwillinge oder Drillinge auseinanderhalten. Kinder konnten Schwärmereien haben und ihnen wieder entwachsen. Ältere konnten ihren Ehepartnern ergeben bleiben, auch wenn die Schönheit längst vergangen war. Das sterbliche Herz war fatterhaft. Naha hatte es so erschaffen. Und deswegen hatten sie die Freiheit zu lieben, wen sie wollten, und mussten sich das nicht von Instinkten oder Traditionen aufdiktieren lassen.
Ich hatte das vor langer Zeit einmal verstanden. So wie alle Götter.
Meine Hand fiel in meinen Schoß. Sie zitterte. »Es tut mir leid«, füsterte ich.
Auch er senkte seine Hand und sagte einen langen, schmerzlichen Moment lang nichts.
»Du kannst nicht viel länger in sterblichem Fleisch verweilen«, sagte er schließlich. »Es verändert dich.«
Ich senkte meinen Kopf und nickte einmal. Er war mein Vater, er wusste es am besten. Es war falsch von mir gewesen, nicht auf ihn zu hören.
Mit einem Seufzer wie eine nächtliche Brise wandte Nahadoth sich ab und begann, mit den Schatten des Zimmers zu verschmelzen. Plötzliche, irrationale Angst erfasste mich. Ich sprang auf die Füße. In meiner Kehle saß ein Kloß aus Angst und Kummer. »Naha … bitte. Wirst du …« Sterblich, sterblich, ich war jetzt wirklich sterblich. Ich war sein Lieblingskind, er war mein dunkler Vater, seine Liebe war fatterhaft, und ich hatte mich bis zur Unkenntlichkeit verändert. »Bitte geh noch nicht.«
In einer fießenden Bewegung drehte er sich um und fegte auf mich zu. Plötzlich schwebte ich und war umfangen von der weichen
Dunkelheit seines Innersten. Unsichtbare Hände streichelten mein Haar.
»Du wirst immer meiner sein, Si’eh.« Seine Stimme war überall. Er hatte nie jemand außer mir und seinen Geschwistern in diesen Teil seines Selbst gelassen. Es war sein innerster Kern, verletzlich und rein. »Auch wenn du ihn wieder liebst. Auch wenn du alt wirst. Ich bin nicht nur Finsternis, Itempas ist nicht nur Licht. Es gibt einige Dinge an mir, die sich nie ändern werden, noch nicht einmal, wenn die Wände des Mahlstroms fallen.«
Dann war er fort. Ich lag auf dem gemusterten Teppich und zitterte. Langsam begann das Zimmer sich nach Nahadoths Weggang zu erwärmen. Ich beobachtete
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