Rivalin der Götter erbin3
Lächeln. »Das macht es schon ofensichtlich, nicht wahr? Wahre Siegel waren zu Eurer Zeit noch üblich, wie man hört.«
»Wahre Siegel?« Ich runzelte die Stirn. »Wie nennen sie diese zurechtgestutzten denn?«
»Ihre nennt man Halbsiegel. Außer Remath bin ich das einzige Mitglied der Familie, das momentan ein wahres Siegel trägt.« Ramina schaute fort. Sein Blick fiel auf einen Vogelschwarm, der um einen Weltenbaumast in der Ferne kreiste. Sie hoben ab und glitten davon. Er beobachtete ihren langsamen, gleichmäßigen Flug. »Man gab es mir, als meine Schwester ihren Platz als Familienoberhaupt einnahm.«
Dann verstand ich. Das wahre Siegel erzwang Loyalität gegenüber dem Familienoberhaupt auf Kosten des Willens seines Trägers. Ramina konnte genauso wenig gegen die Interessen seiner Schwester handeln, wie er der Sonne befehlen konnte, unterzugehen.
»Dämonen!« Ich fühlte unerwartet Mitleid mit ihm. »Warum hat sie Euch nicht einfach getötet?«
»Ich nehme an, weil sie mich hasst.« Ramina beobachtete immer noch die Vögel. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. »Oder weil sie mich liebt. Beides hat dieselbe Auswirkung.«
Noch bevor ich antworten konnte, hörte ich Schritte auf der Wendeltreppe. Wir verfielen beide in Schweigen. Zwei Diener kamen herauf, verbeugten sich schnell vor Ramina und warfen mir unbehagliche Blicke zu. Sie stellten ein großes Holztablett hin und drapierten zwei große Teller mit Häppchen drauf. Dann
verließen sie uns schnell. Ich ging hinüber zu dem Tablett und stopfte mir verschiedene Teile in den Mund. Ramina hob eine Augenbraue. Ich fetschte meine Zähne. Er schnupperte ein wenig und sah dann weg. Gut. Bastard.
Dieser erste Mund voll reichte, und ich war gesättigt. Das machte mich glücklich, denn es zeigte, dass ich noch nicht vollends sterblich war. Also rülpste ich und begann, mir die Finger abzulecken. Ich hofte, dass Ramina davon angewidert war. Leider schaute er mich nicht an. Doch kurz darauf warf er einen Blick zu der Treppe, denn Shahar tauchte in dem Bodendurchlass auf. Sie nickte mir zu und sah dann Ramina. Ihre Miene hellte sich auf. »Onkel! Was machst du denn hier oben?«
»Nun, ich schmiede ofensichtlich Pläne, die Weltherrschaft an mich zu reißen«, sagte er und lächelte sie breit an. Sie ging zu ihm hinüber und umarmte ihn mit echter Zuneigung. Er erwiderte diese Geste mit derselben Ehrlichkeit. »Außerdem unterhalte ich mich wunderbar mit meinem neuen jungen Freund hier. Bist du gekommen, um ihn zu trefen?«
Shahar setzte sich neben ihn. Ihre Blicke wanderten zwischen mir und ihm hin und her. »Ja, obwohl es gut ist, dass du hier bist. Weißt du, was geschehen ist?«
»Geschehen?«
Sie wurde ernst. »Nevra und Criscina. Sie … Soldaten haben heute Morgen die Leichen gebracht.«
Ramina zog eine Grimasse und schloss die Augen. »Wie?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wieder die Masken. Dieses Mal …« Sie verzog das Gesicht. »Ich habe das Ergebnis nicht gesehen, aber gerochen.«
Ich setzte mich auf eine Bank ihnen gegenüber im Schatten der Kuppel und beobachtete sie. Das Licht bildete eine Aura um ihre Locken. Sie sahen beide gleich betrofen aus, ja, es war so ofensichtlich, dass ich mich fragte, warum Remath versuchte, es geheim zu halten.
Ramina stand auf und begann, auf und ab zu laufen. Er sah wütend aus. »Dämonen und Dunkelheit! Alle Hochblüter werden außer sich vor Wut sein – und das zu Recht. Sie werden Remath die Schuld dafür geben, dass sie diese Bastarde nicht findet.« Plötzlich blieb er stehen, wandte sich zu Shahar um und kniff die Augen zusammen. »Und du wirst in noch größerer Gefahr sein als ohnehin schon, Nichte, wenn die Angreifer so dreist geworden sind. Ich würde dir raten, eine Weile zu verreisen.«
Sie runzelte bei diesen Worten die Stirn, schien aber nicht überrascht. Zweifellos hatte sie seit dem Vorfall im Vorhof dasselbe gedacht. »Es ist geplant, dass ich heute Abend nach Grau gehe, um mich mit Lady Hynno zu trefen.«
Grau?, fragte ich mich.
»Verlege den Termin.«
»Das kann ich nicht! Ich habe um das Gespräch gebeten. Wenn ich den Termin verlege, wird sie wissen, dass etwas nicht stimmt. Und Mutter hat verfügt, dass jegliche Neuigkeiten über diese Morde geheim bleiben sollen.«
Ramina blieb stehen und warf mir einen betonten Blick zu. Ich lächelte ihn gewinnend an.
Shahar machte ein resigniertes Geräusch. »Sie hat ebenfalls verfügt, dass ich ihm geben soll, was
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