Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
von Debs gelesen?«
    Das war der Schlüssel, das Urprinzip, der Anfang von allem. So vieles wurde damit ins Rollen gebracht, der Brand des Daches, der Sturz von Turm und Tor, denn der Schlüssel paßte und ließ sich drehen, und von diesem Augenblick an warb er um sie mit den süßesten Ausdrücken aus den allertrockensten Texten über Reformen, die Besserung der Lage der Armen, die Umverteilung des Reichtums und die Verstaatlichung der Produktionsmittel zum Nutzen und Frommen des einfachen Arbeiters.
    Am nächsten Morgen, gleich bei Tagesanbruch, stand er vor ihrer Tür und klopfte. Er mußte mit ihr sprechen, aber er wollte sie nicht stören, wollte ihr nicht den Schlaf rauben oder ihre Pläne durcheinanderbringen – immerhin hatten sie bis nach eins geredet –, deshalb klopfte er leise. Sehr leise. So leise, daß er das Geräusch selbst kaum wahrnahm. Es erfolgte keine Antwort, und er wußte, daß er es dabei belassen sollte, aber er mußte mit ihr sprechen – er hatte mit dieser Not die ganze Nacht durchwacht –, und er klopfte lauter. Und als auch dies keine Reaktion auslöste, begann er mit den Handballen auf die Tür einzutrommeln, und bald boxte er mit diesem stummen, sturen, geistlosen Stück Holz, links-rechts, links-rechts, und er veranstaltete dabei einen derartigen Radau, daß der Hausmeister mit dem Mop in der Hand angerannt kam, und eine alte Frau mit Häubchen steckte den Kopf zur Nachbartür heraus und geißelte ihn mit einem Blick, der ihn auf der Stelle verdorren ließ. »Psst!« zischte sie. »Gehen Sie sofort weg da. Sind Sie denn verrückt?«
    Er ging geduckt davon, die Schultern zusammengesackt unter der Last seines Verbrechens, aber zehn Minuten später stand er erneut vor Katherines Tür und klopfte. Diesmal aber ertönte, sobald seine Knöchel das Holz berührten, ihre gedämpfte Stimme müde aus einer verborgenen Nische ihres Zimmers: »Wer ist da?«
    »Ich bin’s, Stanley. Ich muß mit dir sprechen.«
    »Wer?«
    »Stanley. Von gestern abend.«
    Eine Pause. »Ach, Stanley.« Wieder eine Pause. »Ja. Gut, gut. Ich muß mich aber erst anziehen.«
    »Ist mir recht«, sagte er mit lauter Stimme, damit sie ihn durch all diese starre Zellulose und den leeren Raum ihres Wohnzimmers hören konnte, »ich wollte dir nämlich erzählen, was ich auf meiner Ranch in New Mexico geändert habe – da bin ich in den letzten zwei Jahren viel gewesen, weißt du, hab ein bißchen Cowboy gespielt in der guten Luft und der wildromantischen Landschaft dort, das solltest du mal sehen, wirklich, das solltest du –, aber was ich dir erzählen wollte: ich habe diese Ranch in Form einer Genossenschaft organisiert, so daß alle den gleichen Anteil am Gewinn haben, vom einfachsten Arbeiter bis zum einbeinigen mexikanischen Koch, wir sind alle gleich unter der Sonne des Westens, und vielleicht weißt du nicht, daß ich es war, der das Gewinnbeteiligungssystem in der Harvester Company eingeführt hat, gegen die Einwände meiner Brüder, und ich habe auch das Geld für den McCormick-Fabrikarbeiterclub aufgebracht...«
    Doch die Tür ging auf, und da stand sie, Katherine, ein süßes, kleines Lächeln auf den Lippen, ihr Blick suchte den seinen, und sie trug ihr weißes Tenniskleid, ließ den Schläger lässig in der Hand baumeln. »Spielst du auch?« fragte sie.
    »Ich... also, ja, ich – also, auf dem College, in Princeton, meine ich...«
    »Einzel?«
    »Sicher.«
    »Und hast du was dagegen, vor dem Frühstück zu spielen, jetzt gleich? Denn wenn ja, dann sag’s ruhig.« Sie lächelte ihn an, als hätte er gerade ganz Asien erstanden und ihr als Geschenk zu Füßen gelegt. »Also spielst du mit mir?«
    »Sicher.«
    Aber es war eine Zwickmühle, eine echte Zwickmühle. Sie lastete auf ihm, als er in sein Zimmer eilte, um sich fürs Tennis umzuziehen, während sie vor der Tür wartete, und er sorgte sich immer noch deswegen, nachdem er durch Schlägerdrehen den Aufschlag gewonnen hatte und hinter der Grundlinie Position bezog. Mit einer Frau hatte er noch nie gespielt und kannte daher die erforderliche Etikette nicht: er wollte sie nicht überwältigen – das wäre nicht sehr gentlemanlike, ganz und gar nicht –, ihr aber auch nicht das Gefühl geben, daß er ihr zuliebe schwächer spielte. Jedenfalls versuchte er, seinen Aufschlag entsprechend zu mäßigen, schlug den ersten Ball mit etwa der halben normalen Geschwindigkeit und setzte ihn genau in die Mitte des Feldes, wo er schön gerade absprang. Sie

Weitere Kostenlose Bücher