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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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überraschte ihn, indem sie mit voller Kraft zurückschlug, und seine Überraschung war offensichtlich: sein Return kam etwas spät, und er klatschte den Ball kraftlos ins Netz. Sie sah strahlend und wunderschön aus, hatte das Haar zu einem festen Knoten nach hinten frisiert und unter einen Strohhut gesteckt, den ein Band aus weißem Musselin unter dem Kinn festhielt. »Null-fünfzehn«, flötete sie.
    »Tut mir leid«, rief er, »bin wohl etwas eingerostet, ich hatte in letzter Zeit soviel mit den Harvester-Geschäften zu tun, und mit der Ranch und tausend anderen Dingen, daß ich einfach nicht die Zeit gefunden habe, um...«
    Der Ball war in der Luft, hoch über dem Bogen seines Schlägers, als wäre er von Leben beseelt, und er servierte erneut, diesmal wesentlich kraftvoller, und wieder schlug sie direkt zurück, ein gemeiner, plazierter Ball in die andere Ecke, den er gerade noch mit einer wild ausgreifenden Rückhand retournieren konnte, und bei dieser Anstrengung empfand er kurz einen Kitzel der Befriedigung, bis sie seinen Schlag am Netz abfing und mit einem ebenso effizienten wie eleganten Volley unhaltbar wegschoß. Er bewunderte das, ja wirklich, eine so sportliche und trainierte Frau, so behende – sie war wie eine Olympionikin, wie die Jägerin Diana mit Pfeil und Bogen, nur daß der Bogen in diesem Fall ein Tennisschläger war, und während er sich bückte, freute ihn seine Gelassenheit und Beherrschung, obwohl er sich natürlich irgendwann einmal würde durchsetzen müssen, Etikette oder nicht. »Null-dreißig«, rief sie.
    Beim vierten Spiel lag er eins zu drei zurück und schwitzte dermaßen heftig, als wäre er in Kleidern schwimmen gegangen. Katherine dagegen war kaum etwas anzumerken, sie wirkte ebenso gepflegt und gleichmütig, wie sie vor einer Stunde aus ihrem Zimmer gekommen war. Offensichtlich war sie Meisterin darin, den Ball immer knapp außerhalb seiner Reichweite zu plazieren und ihn mit einem großen Repertoire von trickreichen Schlägen, Lobs, aggressiven Netzattacken und kraftvollem Grundlinienspiel von einem Ende des Platzes zum anderen zu treiben. Er strengte sich immer mehr an, knallte seine Aufschläge so heftig über den Platz, als bestünde das Ziel des Spiels darin, den Ball einen Meter tief im Rasen zu vergraben, und je mehr er sich anspannte, desto unkontrollierter wurden natürlich seine Schläge. Es unterlief ihm ein Doppelfehler, dann noch einer. Am Ende des ersten Satzes, den sie sechs-eins gewann, keuchte er wie – ja, wie ein Hund.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte sie. Sie stand am Netz, bereit zum Seitenwechsel. Sie zeigte keinerlei Anstrengung, keine einzige Schweißperle auf der Stirn, dabei war es ein schwüler Morgen, knapp dreißig Grad – wenn nicht heißer.
    »Ach, nein, nein – ich... es ist nur – also, ich bewundere dein Spiel einfach. Du bist wirklich ziemlich gut.«
    Sie setzte ein rätselhaftes Lächeln auf, sagte aber kein Wort.
    Später, beim Frühstück auf der Terrasse, sank er in seinem Stuhl zusammen und schlug nach Mücken, während sie ihm alles über ihre Forschungsarbeit am M.I.T. erzählte, über das Kreislaufsystem von Schlangen und Kröten und ihre Hoffnungen auf die Frauenemanzipation. Wie dachte eigentlich er darüber? Fand er, daß Frauen das Wahlrecht haben sollten?
    Aber natürlich fand er das – er gehörte doch zu den Gerechten und Progressiven, oder? Und das sagte er ihr auch, aber er führte es nicht weiter aus, unter anderem deshalb, weil er so erschöpft war – das viele Autofahren, seine zerrütteten Nerven, die durchwachte Nacht, drei Sätze Tennis –, aber auch weil er völlig gefesselt war von der Art, wie sich Katherines Lippen öffneten, schlossen und wieder öffneten und dabei ihre ebenmäßigen weißen Zähne und die lebhafte rosa Zungenspitze entblößten, gefesselt von ihren blitzenden Augen und den Fingerknöcheln, die in deklamatorischem Eifer auf die Tischplatte eintrommelten. Und da wurde ihm klar, in diesem mückengeplagten Augenblick, in dem der zuckersüße Duft von frischgemähtem Gras in der Luft lag, seine Melone warm und sein Spiegelei kalt wurde, daß er diese Lippen küssen, diese Zunge mit der eigenen berühren wollte, und mehr noch, viel mehr: er wollte sie, wollte sie ganz, bis hin zu und mitsamt dem unheilvollen Weiß, das sie in ihrer Mitte hatte. Katherine, er wollte Katherine. Er wollte sie heiraten, das war sein größter Wunsch, und dieses Wissen ereilte ihn in einem Moment der Offenbarung,

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