Roarke - der Abenteurer (German Edition)
dazu im Stehen. Andererseits wusste Roarke, wie ausgelaugt man sich nach solchen Aufregungen fühlte.
War sie Zeugin des Mordes an dem Mitarbeiter des Justizministeriums gewesen? Im Gegensatz zu Mike hielt er Daria nicht für verdächtig. Der äußere Eindruck konnte täuschen, doch diese Frau war keinesfalls eine kaltblütige Mörderinn. Darauf hätte er sein Leben verwettet.
Er musste herausfinden, worauf Daria Shea gestoßen war, dass Polizisten einen Bundesanwalt umbrachten und eine stellvertretende Staatsanwältin jagten. Die Story garantierte Schlagzeilen im ganzen Land, vielleicht sogar in der ganzen Welt. Dadurch konnte er wieder die Spitzenposition in seinem Beruf erreichen. Er wunderte sich nur, dass ihn diese Vorstellung längst nicht mehr so reizte wie früher.
Vielleicht hatte Mike Recht und sie wurden allmählich alt.
Was für ein deprimierender Gedanke!
Erst jetzt wurde Roarke bewusst, dass er sich beim Abflug von Moskau, bei der Landung in New York und sogar beim Eintreffen im Whitfield Palace alt gefühlt hatte. Doch das war heute Vormittag gewesen und lag scheinbar schon Ewigkeiten zurück. Und dann hatte er Daria getroffen.
Beim Anblick ihrer schlanken Beine gestand er sich widerstrebend ein, dass er sie begehrte. Das war nicht erstaunlich. Verstand und Schönheit machten jede Frau reizvoll. Dazu kam noch die Gefahr als zusätzlicher Anreiz. Roarke hätte sich um seine Männlichkeit sorgen müssen, hätte er nicht mit Daria schlafen wollen. Doch seine Gefühle gingen tiefer. Zusätzlich zu journalistischer Neugier und männlichem Begehren verspürte er den unwiderstehlichen Drang, Daria zu beschützen. Das stärkte ihn jedoch erst recht in seinem Entschluss, Distanz zu wahren.
Unter anderen Bedingungen hätte er es genossen, die feurige und kluge Daria Shea ins Bett zu ziehen. Und ihren Blicken nach zu schließen hätte sie es auch genossen. Doch seit er sie gefunden hatte, als sie verletzt auf dem Boden lag, mit einem Polizisten neben ihr, der vielleicht versucht hatte, sie umzubringen, war sie zu einer Story geworden.
Und das bedeutete, dass er die Finger von ihr lassen musste.
“Hey.” Roarke streichelte ihre Wange. Sie öffnete die Augen, die Beine knickten ihr weg, und hätte er sie nicht aufgefangen, wäre sie auf dem Marmorboden gelandet. “Wäre es für dich im Bett nicht bequemer?”
“Bett”, murmelte sie, als gäbe es kein schöneres Wort. “Ja …” Die Augen fielen ihr wieder zu, und sie schlief in seinen Armen ein.
Er hob sie hoch, trug sie ins Schlafzimmer hinüber, legte sie auf das Bett und deckte sie zu. Auf ihrer Hand zeichnete sich ein blauer Fleck ab. Roarke strich über die zarte, duftende Haut. Ob Daria sich mit dieser parfümierten Lotion am ganzen Körper einrieb? Ob es der Mann, dessen Ring sie trug, genoss, ihr den Rücken zu massieren, die Beine und die Brüste …
Betroffen über das pure Verlangen, das ihn packte, ließ er ihre Hand los und wandte sich ab.
“Warum ziehst du dich nicht gleich aus, O’Malley, bindest Dynamitstangen an deinen Körper und gehst zu einem Treffen von Brandstiftern?” stieß er verärgert hervor, als er das Schlafzimmer verließ, um der Versuchung zu entkommen.
Zuerst musste er einige Anrufe erledigen. Danach musste er diese Story recherchieren. Und hinterher konnte er mit seinem Leben weitermachen wie geplant.
Allein.
Daria kannte die mondbeschienene Stelle nicht, wusste aber, dass sie irgendwo im Bayou lag. Im Schatten einer riesigen Zypresse kauernd starrte sie entsetzt auf den Rücken eines jungen Mannes. Ein Seil war um seinen Hals und einen Ast geschlungen. Seine Füße hingen eine Handbreit über dem Erdboden.
Dunkle Gestalten bewegten sich auf den Hängenden zu. In seiner Brust klaffte ein faustgroßes Loch, in dem sein Herz noch arbeitete. Blut spritzte heraus und auf sie hinunter.
Sie schrie.
Roarke erwachte ruckartig aus seinem unruhigen Schlaf, sprang aus dem Sessel und kam sofort ans Bett. Daria hatte sich aufgesetzt, starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Nichts und schrie sich die Seele aus dem Leib.
“Daria!” Betroffen strich er ihr über das Haar. “Hey, es ist schon gut. Du hast nur geträumt. Es war ein Alptraum.”
Es war nicht zu erkennen, ob sie ihn überhaupt hörte, doch endlich verstummten ihre schrecklichen Schreie.
“Nein!” Sie schüttelte den Kopf und sah ihn verwirrt an. “Es war ein Alptraum.” Sie holte bebend tief Luft. “Aber ich habe nicht geträumt, als es
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