Roarke - der Abenteurer (German Edition)
zutraf. “Das muss eine sehr kluge Frau gewesen sein. Was wurde aus ihr?”
Mike zuckte die Schultern. “Sie nahm eine Stelle in der Sendezentrale an. Ein normaler, hart arbeitender Mann kann nicht mit dem Glanz der Großstadt konkurrieren.”
Roarke war zwar voreingenommen, aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass eine Frau sich lieber für ihre Karriere als für seinen Bruder entschied. Michael O’Malley war geradezu zum Ehemann geboren.
“Bestimmt hast du dich nicht genügend bemüht, sie zurückzuhalten.”
“Das sagte sie auch, als wir uns auf dem Flughafen verabschiedeten”, bestätigte Mike. “Und das stimmt wahrscheinlich auch. Ich mochte Karyn sehr, und wir haben uns auch großartig verstanden, aber sie war für mich mehr wie eine Schwester oder eine Lieblingscousine. Bei ihr hatte ich nie das Gefühl, mich völlig zu verlieren.” Offenbar sprach er nicht einmal mit seinem Bruder gern über dieses Thema. “Du verstehst, was ich meine?”
“Nur zu gut”, bestätigte Roarke und öffnete die Wagentür.
Das Haus war sehr gemütlich und nostalgisch eingerichtet. Cremefarbene Tapeten mit Blumenmotiven – im Eingangsbereich Veilchen – schmückten die Wände, Seidenteppiche lagen auf dem glänzenden Parkett. Das Haus wäre entzückend gewesen, wäre es nicht verwüstet worden.
“Verdammt!” fluchte Mike.
Roarke drückte sich wesentlich schärfer aus, während er in der Tür stand und das Zerstörungswerk betrachtete. Bilder waren von den Wänden gerissen, ihre Rahmen zerbrochen worden. Die geblümten Sofabezüge waren aufgeschlitzt, die Kissenfüllungen lagen wie Schneeballen auf dem Boden herum. Bücher waren zerfetzt worden. Das war kein normaler Fall von Vandalismus.
“Was haben die hier gesucht?” fragte er.
“Ich möchte wissen, ob sie es gefunden haben”, entgegnete Mike. “Oder ob die Lady es noch hat.”
“Ich habe in ihrer Handtasche nachgesehen. Darin war nichts, wofür jemand ein ganzes Haus verwüsten würde.”
“Bisher haben die Täter einen Bundesanwalt getötet, auf eine stellvertretende Staatsanwältin geschossen und ihr Haus verwüstet. Diese Typen werden nicht eher aufgeben, als bis sie haben, wonach sie suchen … und bis sie die Lady zum Schweigen gebracht haben.”
Daran wollte Roarke nicht einmal denken. “Wir müssen sie eben vorher schnappen.”
“Was für eine gute Idee.” Mike war deutlich anzuhören, wie sehr es ihn amüsierte, dass sein ruhelos durch die Welt ziehender und das Leben genießender Bruder am Haken hing. “Holen wir die Sachen der Lady, und verschwinden wir wieder.”
Im Schlafzimmer – hier hatte die Tapete ein Rosenknospenmuster – war die Kommode umgestürzt und die Kleidung auf dem Fußboden verstreut worden. Roarke hob einen winzigen, hauchdünnen schwarzen Slip auf. Der Täter hatte ihn mit krankhaft erotischem Genuss zerschnitten.
Nackte Wut stieg in ihm hoch bei der Vorstellung, dass dieser Kretin Darias Dessous berührt hatte. “Allein dafür werde ich den Kerl umbringen.”
Mike kam aus dem Bad zurück und betrachtete ihn eingehend. “Du weißt doch, dass es gefährlich wird, wenn man persönlich in einen Fall verstrickt ist.”
Roarke wusste das nur zu gut. “Ja, aber das ändert nichts mehr.”
“Nein.” Mike seufzte. “Ich weiß nicht, ob ich dir gratulieren oder Mom bitten soll, für ihren zweitältesten Sohn zu beten.”
Roarke musste lachen. Mikes Bemerkung half ihm, etwas von dem angestauten Druck abzulassen. “Verschwinden wir mit den Sachen. Daria ist zwar in ihrem Versteck bestimmt sicher, aber …”
“Du fürchtest, sie könnte flüchten.”
“Sie erinnert sich allmählich”, erklärte Roarke. “Ich fürchte, ihr könnte etwas einfallen, das ihr so wichtig erscheint, dass sie auf eigene Faust loszieht. Und dann könnte sie sich wieder eine Kugel einfangen.”
Mike sah sich im Zimmer um. “Willst du Anzeige erstatten?”
“Lieber nicht. Die Täter achten sorgfältig darauf, unsichtbar zu bleiben. Und da es sich um Polizisten handelt, sollten wir ihrem Beispiel folgen.”
“Ganz meine Meinung”, bestätigte Mike. “Während du packst, unterhalte ich mich mit den Nachbarn. Vielleicht haben sie etwas beobachtet.”
Roarke griff nach einem duftigen Nachthemd. Es war an der Vorderseite zerschnitten worden. “Gute Idee.”
Fünf Minuten später trafen sich die beiden Brüder auf dem Bürgersteig vor dem Haus.
“Kein Nachbar ist daheim”, berichtete Mike. “Wahrscheinlich
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