Roarke - der Abenteurer (German Edition)
“Es ging um mein Leben! Außerdem wollte ich es nicht wirklich tun. Ich habe das nur gesagt, um Zeit gewinnen.”
“Ein großartiger Plan”, bemerkte Roarke spöttisch.
“Es hat jedenfalls geklappt. Ich konnte ihn ablenken und fliehen. Ich erinnere mich auch, dass ich meine Tasche vom Boden aufgehoben habe. Das war für mich sehr wichtig. Und ich bemerkte, dass sie sich geöffnet hatte. An mehr erinnere ich mich nicht.”
Es war nicht viel, aber jedenfalls wussten sie jetzt mehr als vorher. “Ich setze Mike darauf an.” Der Lieferwagen, der eindeutig nicht nur zum Fischtransport gedacht war, besaß ein Funktelefon. Roarke wählte die Nummer von Mikes Detektei.
“Ich lasse den Friedhof sofort von einigen Leuten überprüfen”, versicherte Michael, sobald Roarke ihn unterrichtet hatte. “Mal sehen, was wir finden, obwohl alles Wertvolle garantiert schon mitgenommen wurde. Wir werden auch den Louis Armstrong-Park durchkämmen und den Weg bis zur Stelle verfolgen, an der du Daria gefunden hast. Falls sie den Gegenstand auf der Straße verloren hat, hat die Straßenreinigung ihn allerdings schon mitgenommen.”
“Vielleicht haben wir Glück, und sie hat diesen Gegenstand auf dem Friedhof verloren”, meinte Roarke.
“Ich stifte der Voodoo-Queen Marie Laveau eine Kerze.”
Trotz der ernsten Lage lachte Roarke über die Bemerkung seines Bruders. “Danke, Mike, ich stehe in deiner Schuld.”
“Hey, dafür sind Brüder doch da”, erwiderte Michael und legte wieder auf.
“Wahrscheinlich kommen wir nicht weiter”, sagte Daria niedergeschlagen.
“Oder wir lösen den Fall”, entgegnete Roarke. “Außerdem wissen wir jetzt schon mehr als noch vor fünf Minuten.”
Das stimmte, und als Daria sich zurücklehnte und die herrliche Landschaft betrachtete, hoffte sie, dass ihr Gedächtnis auch noch weiter angeregt wurde.
Die Sonne stand schon sehr tief, als Roarke auf eine einspurige Schotterstraße bog, die durch morastiges Gebiet führte. Wenige Minuten später hielt er vor einer kleinen Anlegestelle, an der ein Boot mit flachem Kiel vertäut lag.
“Fahren wir mit dem Boot?”
“Ansonsten müssen wir schwimmen.”
Allein hätte Daria niemals den Weg zurück in die Zivilisation gefunden, sie war Roarke völlig ausgeliefert. Sie stieg in das Boot und setzte sich hoheitsvoll wie eine Prinzessin.
Roarke unterdrückte ein Lächeln und holte das Gepäck aus dem Wagen, warf den Motor an und fuhr los.
Das Boot glitt sanft durch das dunkle Wasser. Das einzige Geräusch, das man hörte, war das Brummen des Innenbordmotors, und auch das verstummte, als sie eine flache, morastige Stelle erreichten. Roarke griff nach einer langen Stange, die auf dem Boden des Bootes lag, und manövrierte geschickt durch den Sumpf. Tiefe Stille herrschte, während sie unter hohen Zypressen dahinglitten. Nirgendwo war es ruhiger als in einem Sumpf in der Abenddämmerung.
Daria entspannte sich immer mehr. Diese Landschaft wirkte tröstlich und zugleich melancholisch. Irgendwo spielte jemand auf einem Akkordeon. Am Horizont türmten sich Gewitterwolken.
Sie kamen an einem kleinen Schild vorbei, das an eine Zypresse genagelt war. “Öl– und Gaspipeline. Nicht ankern!”
“Mein Vater war Manager bei einer Ölfirma”, sagte Daria plötzlich.
Es freute Roarke, dass wieder ein Teil ihres Gedächtnisses zurückgekehrt war. Es wäre jedoch besser gewesen, wenn der Erinnerungsfetzen mit dem aktuellen Fall zu tun gehabt hätte. “Mike hat versucht, deine Familie aufzuspüren. Bisher hatte er kein Glück.”
“Ich war ein Einzelkind. Meine Eltern kamen bei einem Flugzeugabsturz in den Rocky Mountains ums Leben, kurz bevor ich mit dem Studium fertig war.”
Das erklärt ihre Unabhängigkeit, dachte Roarke. Wenn man sich auf niemanden stützen kann, lernt man zwangsläufig, auf eigenen Beinen zu stehen. “Bist du in Colorado aufgewachsen?”
“Nein, ich wurde in New Orleans geboren und ging in Europa auf Privatschulen. Da Dad aus beruflichen Gründen viel reisen musste, hielten meine Eltern es für besser, mich in ein Internat in der Schweiz zu geben, wo ich in stabilen Verhältnissen aufwachsen konnte.” Sie sah kristallklare Seen und schneebedeckte Berge vor sich.
Roarke dachte an sein lautes Elternhaus mit Brüdern, Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen. “Du musst dich oft einsam gefühlt haben.”
Daria seufzte. “O ja, das habe ich. Und kalt war es! Mit vierzehn wollte ich meine Eltern dazu bringen, mich auf Hawaii
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