Robbers: Thriller (German Edition)

Letzteres betrifft. Johnny Ray hat mir immer leidgetan.«
    Der Deputy hielt inne, verzog das Gesicht. Als wäre ihm plötzlich bewusst geworden, dass es in Jasper noch bis vor Kurzem eine Zeit gegeben hatte, in der er er als Schwarzer so etwas nicht gesagt hätte, nicht einmal über solchen Abschaum vom Fluss wie die Matthews. Vielleicht über sie erst recht nicht. Denn es war hier immer noch möglich, dass drei junge weiße Männer einen Schwarzen auf der Landstraße auflasen, ihm die Beine zusammenbanden und an einer Kette hinter ihrem Pick-up herschleiften, bis es ihn in Stücke riss, ohne Arme und Beine, ohne Kopf, ein zerfetztes, blutendes Stück Fleisch, das man einfach im Straßengraben zurückließ. Das war Jasper, eine Main Street City, Teil des staatlichen Kultur- und Wirtschaftsförderprogramms, nach außen freundlich, doch ohne die Bereitschaft, sich den wirklichen Problemen zu stellen oder die Dämonen auszutreiben, die sie ausgebrütet hatte.
    Wie jeder andere Ort in Amerika.
    Schließlich wurde er von Rule aus seinen Gedanken gerissen. »Also mir tun die Menschen leid, die er umgebracht hat, und ihre Familien.«
    »Kann ich verstehen«, erwiderte der Deputy mit leiser Stimme. »Anscheinend gibt’s immer genug Leid in der Welt. Nicht dass Johnny Ray und ich uns je nahegestanden hätten. Selbst damals war mit ihm nicht gut Kirschen essen, die meiste Zeit war er ein Einzelgänger. Ich hab mich in der Highschool ein paar Mal mit ihm unterhalten. Auch wenn das merkwürdig klingt, aber ich glaube, in einigen Punkten hatten wir ähnliche Ansichten. Vielleicht die Perspektive des Außenseiters. Doch ich bin schwarz, und Johnny Ray ist ein Matthews. Er hat sich dann schnell wieder zurückgezogen. Und mich aus der Distanz beobachtet. Das war schon seltsam mit anzusehen. Als gingen seine Gedanken in eine bestimmte Richtung, ohne dass der Rest von ihm folgte. Er ist ein intelligenter Mann, Mister Hooks. Vielleicht sogar, was man als sensibel bezeichnen könnte. Und er würde Sie im Handumdrehen töten.«
    »Wie seine Mutter?«
    »Das konnten wir nie beweisen«, sagte Wright, »aber wir wissen, dass er es war. Jeder wusste das. Ella Mae Matthews war das fieseste alte Weib, das die Welt je gesehen hat. Voller Hass. Eine gebürtige Wiggis, die ganze Familie ist väterlicher- und mütterlicherseits miteinander verwandt. Ihr eigener Mann hatte Angst vor ihr. Offensichtlich liegt das in der Familie, ihre Schwester Ethel Matthews flößt den Männern ebenfalls Gottesfurcht ein. Ihre Ehemänner sind alle unter merkwürdigen Umständen gestorben oder verschwunden. Doch Ella Mae war noch schlimmer, sagt man. Wie die griechische Göttin Medusa mit den Schlangenhaaren, die einen in Stein verwandelt, wenn man ihr zu nahe kommt. Selbst ihre eigenen Kinder konnten sie nicht ertragen, außer Johnny Ray.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht hat sie ihm gegeben, was er brauchte. Sie war seine Mama. Das ist, was man sich so erzählt, wissen Sie. So haben wir auch erfahren, dass er sie umgebracht hat. Nicht dass das viele Leute interessiert hätte. Wird jemand getötet, fragt man erst mal, ob er es vielleicht verdient hat. Sie wären erstaunt, wie viele Leute es gibt, die Johnny Ray das nicht mal vorwerfen.«
    »Einige schon, hab ich gehört.«
    »Aus seiner Familie, das stimmt. Ethels Sippe.«
    »Hab gehört, das ist der Grund, warum er Jasper verlassen hat. Sie haben ihn fortgejagt.«
    Der Deputy spielte mit seiner Gabel herum und runzelte die Stirn. »Wissen Sie, das hab ich auch immer gedacht. Doch inzwischen glaube ich, dass Johnny Ray immer nur das getan hat, was er wollte.«
    »Hatte er mal eine Freundin?«
    »Nicht dass ich wüsste, aber wie gesagt, er war ein Einzelgänger. Die Mädchen hatten Angst vor ihm.«
    »Ist er schwul?«
    Wright ließ die Gabel fallen, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte. Er wirkte zunächst überrascht, dann nachdenklich.
    »Das hör ich zum ersten Mal.«
    Rule zuckte mit den Achseln. »Gibt’s vielleicht einen Grund zu der Annahme?«
    »Wie gesagt, das ist mir nie in den Sinn gekommen. Das ist ein ganz neuer Gedanke. Liegt was gegen ihn vor?«
    »Nichts, was einen Unterschied machen würde. Ist mir sowieso egal. Ich werd mir den Burschen schnappen und wegsperren. Und sollte unser Rechtssystem noch funktionieren, wird er zum Tode verurteilt. Wenn er vorher nicht an Altersschwäche stirbt, kriegt er die Spritze. Haben Sie mal von einem Burschen namens DeReese Ledoux