Robbers: Thriller (German Edition)
gehört?«
»Nicht dass ich wüsste. Ein Freund von Johnny Ray?«
»Kommt drauf an, was Sie unter Freund verstehen. Ihren Informationen nach zu urteilen, ist er womöglich tot. Warum hat der Matthews-Junge seine Mutter getötet?«
Wright schüttelte den Kopf. »Ich schätze, da müssen Sie schon Johnny Ray selbst fragen.«
»Vielleicht tu ich das.«
47
W ährend er auf dem Highway 190 in östlicher Richtung durch die Kiefernwälder nach Jasper fuhr, rauchte Ray Bob eine Zigarette nach der anderen und richtete sich nach den vertrauten Orientierungspunkten, die sich in die Landschaft gegraben hatten – Dorfkirchen, verfallene Mobile Homes, verlassene Mietbaracken. Heute Nachmittag würde es wahrscheinlich schrecklich heiß werden, doch noch lag der Tag freundlich über den Wäldern, ungetrübt und mild; die Sonne tauchte die grüne, gekräuselte Oberfläche eines malerischen Sees in ihr warmes Licht.
Er fuhr an hügeligen Weiden vorbei, die man dem Wald abgetrotzt hatte; unter ausladenden Eichen dösten Santa-Gertrudis-Rinder und an der Umzäunung grasten Pferde. Dann passierte er die Bezirksstraße, die nach Norden zum Angelina National Forest führte, und eine weitere Richtung Süden, nach Beech Grove. Die Fahrbahn wurde von Lupinen und Indianerpinsel gesäumt sowie einer gewaltigen Platane, die dort schon immer stand; er hatte keinen Ahnung, wie alt sie war und was sie alles erlebt oder wie viele Stürme sie überstanden hatte.
In all dem erkannte er sich wieder. Er reiste zurück in der Zeit und verspürte dabei ein tiefes, anhaltendes Gefühl der Sehnsucht, fast so etwas wie Trauer und die tröstliche Gewissheit, dass sich die Welt nicht verändert hatte.
Als er die Stadt erreichte, wanderte sein Blick über die von Eichenwäldchen und Pekanussbäumen umgebenen Einfamilienhäuser aus Ziegelsteinen. Makellose, gepflegte Häuser. In den Auffahrten parkten neue Pick-ups. Und in den Vorgärten blühten Oleanderhecken neben Anhängern mit Sportfischerbooten und Gemüsegärten mit Schutzzäunen gegen die Kaninchen und Rehe. In einem der Gärten harkte ein Mann Laub zusammen und warf es auf einen glimmenden Haufen, von dem sich dichter weißer Rauch emporkräuselte. Ray Bob konnte die brennenden Blätter riechen und war plötzlich wieder zehn Jahre und damit in einem Alter, wo er noch nicht gelernt hatte, was das Leben zu dem machte, was es jetzt war, seines und das jedes anderen Menschen, der sich die Zeit nahm, darüber nachzudenken. Es war ein fortwährender Kampf, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen, eine Prüfung, die jeder für sich bestehen musste, nicht etwa weil er sich das ausgesucht hatte oder es den eigenen Neigungen entsprach, sondern weil es sich um ein Naturgesetz handelte – der Einzelne, auf sich gestellt, gegen den Rest der Welt.
Als er das Ortsschild erreichte, Einwohnerzahl etwas über siebentausend, fiel sein Blick auf die Maschinenfabrik, vor der Reihen funkelnder Traktoren und Ackerfräsen standen, und auf die Messehalle mit ihrem stechenden Geruch nach Viehdung. Kurz bevor die Fahrbahn sich auf vier Spuren erweiterte, fuhr er ins Geschäftsviertel, das links und rechts die Straße säumte. Auf einem Schild stand WILLKOMMEN IN JASPER – A MAIN STREET CITY.
Teil des Förderprogramms waren der Highway. Ein Wal-Mart, ein Michelin-Laden, ein Bestattungsinstitut und das Krankenhaus. Geschäfte für Hygieneartikel, Möbel und Haushaltsgeräte. Eine Tankstelle, mehrere Fast-Food-Filialen, Motels und Kirchen. Eine Videothek. Eine florierende wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Die Geld in Umlauf brachte. Was alle sich wünschten.
Er drosselte das Tempo, um den Aufsteller vor dem Chiropraktiker zu lesen – es ging um ein spezielles Angebot für Handwerker – und hätte sie fast übersehen. Auf der anderen Straßenseite, vor dem Golden Corral, stiegen zwei Männer in einen roten Dodge Pick-up, und einen der beiden kannte er, Booker Wright. Bei dem anderen handelte es sich um einen Texas Ranger, der eigentlich recht groß gewesen wäre, wenn er nicht neben dem Deputy gestanden hätte. Rasch hob Ray Bob eine Hand an die Wange und rieb sich über die Stirn, um sein Profil zu verbergen. Als er an einer grünen Ampel eine Kreuzung überquerte, warf er einen Blick in den Rückspiegel und bog auf den Parkplatz von Kentucky Fried Chicken, um im hinteren Bereich zu parken, von wo aus er die Straße überblicken konnte. Der Dodge Pick-up, mit Booker auf dem Beifahrersitz, kam näher,
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