Robbers: Thriller (German Edition)
einem knirschenden Geräusch, als hätte er sich ein Gelenk ausgekugelt, als hätte es Knorpel und Sehne auseinandergerissen.
Er hatte gewusst, dass das passieren konnte, doch er war nicht darauf vorbereitet gewesen und rannte jetzt wankend durch das nasse Unterholz, während ihm der Regen über Kopf und Gesicht strömte; ohne hinzuschauen, stieß er mit dem Lauf seiner Schrotflinte überstehende Äste und Gestrüpp beiseite. Angetrieben von der tiefen Demütigung dieses einen Schusses, wurde ihm jetzt endlich klar, was er die ganze Zeit hatte herausfinden wollen, sich aber nicht eingestanden hatte.
Er würde den Rothaarigen nicht lebend schnappen, das hatte er nie vorgehabt.
Seit zehn Tagen fuhr er dem Burschen jetzt von Austin aus hinterher; seit jenem Abend, als der Kerl Bernie die Pistole vors Gesicht gehalten und abgedrückt hatte. Er hatte eine Ewigkeit gewartet. Und war ihm unermüdlich gefolgt, aus dem hügeligen Bergland hinunter in die grüne Küstenebene, vorbei an den Salzwiesen entlang des Golfs, durch die giftigen Ausdünstungen der Raffinerien und der Chemiefabriken hinauf in die Kiefernwälder und Flussniederungen von East Texas. Durch brütende Hitze und tropische Feuchtigkeit und jetzt durch ein Gewitter und sintflutartigen Regen, durch Einsamkeit und Langeweile und durch schmerzliche Episoden seiner nachlassenden Potenz war er der Spur seiner maßlosen Wut gefolgt; Männer und Frauen, alt und jung, waren jetzt tot, allein durch die unfassbare Gewalt eines einzigen Mannes.
Er wusste nicht, was ihre Ursache war, doch dieser Kerl hatte sie in die Welt gebracht, und Rule würde ihr ein Ende bereiten. So schloss sich der Kreis. Eine Form der Gerechtigkeit, die der Tat angemessen war. Wie der Deputy gesagt hatte, letztlich geht es nicht um Richtig oder Falsch, sondern darum, ob es jemand verdient hat. Er hatte keine Ahnung, wie die moralische Bilanz des Rothaarigen in einem größeren Zusammenhang ausfiel, aber gemessen an der Art seiner Taten und innerhalb der engen Grenzen des Ortes, den er aufgesucht hatte, hatte er jedes Recht auf ein Weiterleben verwirkt.
Er würde den Jungen erledigen und auf der Ladefläche seines Trucks aus der Flussniederung transportieren, tot.
Schnell fasste Rule sich wieder und gewann seine Selbstbeherrschung zurück. Es brachte nichts, sich eine Kugel einzufangen. Der Rothaarige war irgendwo dort oben, ganz in der Nähe, falls er sich nicht aus dem Staub gemacht hatte. Vorhin, als er durchs Unterholz gestürmt war, hatte er nichts bemerkt, aber er hatte auch nicht darauf geachtet, er war zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen, ein Fehler. Jetzt stapfte er vorsichtig vorwärts, einen Schritt nach dem anderen; der Regen war inzwischen stärker geworden, sodass das feuchte Stroh seine Bewegungen dämpfte; die dichten Bäume und undurchdringlichen Dornensträucher unter dem stickigen Blätterdach der Hickorys und Magnolien reichten ihm jetzt bis zum Kopf. Als er den Ast einer Wachsgagel zur Seite drückte, sah er vor sich auf dem Boden, zwischen feuchten Blättern, einen weiß-braunen Körper liegen. Er kniff die Augen zusammen.
Lefty. Mein Gott.
Der Walker lag seitlich auf dem Bauch, neben der hochgebogenen Wurzel einer alten Magnolie, die im Regen glitzerte. Zunächst dachte er, der Hund würde einfach aufstehen und loslaufen, sobald er nach ihm rief, doch dann entdeckte er den dunkelroten Fleck auf seiner breiten, weißen Brust; Blut hatte das weiche Fell verklebt und auf den welken, nassen Blättern eine Lache gebildet. Er starrte einen Moment zu Boden, dann ließ er seinen Blick über das tiefdunkle Dickicht dahinter wandern.
Es war nichts zu sehen oder zu hören außer dem Regen, der unablässig auf die Baumkronen hämmerte, und seinem eigenen hektischen Atem. Dann trat er einen Schritt vor und reckte den Kopf, während das seltsame schwarze Gebilde sich erneut aus seiner Magengrube erhob und taumelnd emporstieg. Als es seinen Hals erreichte, brüllte er hinaus in die regennasse Dunkelheit.
»Du Scheißkerl! Wo steckst du?«
Das dumpfe Echo seines seltsamen Schreis war noch nicht verklungen, als links von ihm eine laute Detonation ertönte, etwas Schweres seinen linken Oberschenkel traf und er zur Seite gerissen wurde. Hinter seinen Augen zuckte ein helles, gleißendes Licht auf. Eines seiner Beine knickte ein und sackte unter ihm weg. Ein glühendheißer, stechender Schmerz schoss durch seinen Oberschenkel hinauf ins Becken. Und für einen flüchtigen
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