Robbers: Thriller (German Edition)
nicht komisch? Mit einem Bier in der Hand in die Wellen zu starren? Als gäbe es wirklich was zu sehen. Als könnte irgendwas passieren, wenn man nur lange genug stehen blieb.
Aber es passierte tatsächlich etwas. Das Bier wurde wärmer, der Wind heißer und feuchter. Er schwitzte. Zwischen den Zehen und zwischen den Zähnen spürte er Sand. Ein Meer aus Sand. Trotzdem, eine beschissene Welle war wie die andere. Man musste schon Professor sein, um diesen Mist interessant zu finden.
Wieder musste er an den Araber denken. Und an das weinende Mädchen im Park. Wie sie zitternd am Flussufer gelegen hatte. Verängstigt. Mannomann. Der ganze Schmerz, das ganze Leid. Seinetwegen. Bei dem Gedanken überkam ihn ein Gefühl von … was?
Bedauern.
Er trank den letzten Schluck des warmen Bieres, schleuderte die Dose in die Wellen und beobachtete, wie sie ein Stück hinausgetrieben wurde, wieder ein Stück näher kam und sich wieder entfernte, ohne letztlich vom Fleck zu kommen. Eddie drehte sich um und folgte dem verdreckten Weg zwischen den flachen Dünen hindurch, der offenbar genutzt wurde, um mit dem Auto an den Strand zu fahren. Della nahm auf der Veranda des Hauses ein Sonnenbad. Der Caddy war weg. Ray Bob klapperte die Kneipen an der Strandpromenade ab, um herauszufinden, wo es das kühlste Bier gab. Das hatte er jedenfalls gesagt.
Eddie stieg die Treppe zum Haus hinauf und trat auf die Veranda. Della lag bäuchlings auf einem großen gestreiften Handtuch, über und über mit Bräunungscreme eingeschmiert. Den Kopf hochgereckt, las sie den Houston Chronicle . Gleich neben ihr lag die Bibel.
»Du hast diese Bibel mitgenommen?«
Della sagte, sie hätte sie in die Tasche gesteckt, ohne nachzudenken. Aber es fühlte sich gut an, sie dabeizuhaben. Bloß für den Fall.
»Hast du darin gelesen?«
»Na ja, ich hab sie mir angeschaut .«
Eddie bemerkte, dass die meisten Bibeln wohl auf diese Weise gelesen wurden, soweit er es beurteilen konnte.
»So hab ich es nicht gemeint«, erwiderte Della und blätterte auf die Comicseite.
»Ich hab die rot gedruckten Stellen gelesen, da, wo Jesus spricht.«
»Was hat er gesagt?«
»Er sagt, man soll versuchen, nett zu den Leuten zu sein. Zum Beispiel könntest du mir noch etwas Öl auf den Rücken reiben.« Sie griff nach hinten, um den Träger ihres Bikinis zu öffnen. »Weißt du, ich hab das Ding gerade letztes Jahr gekauft, und schon ist es aus der Mode.«
»Was stört dich daran?«
»Es ist so groß. Ich brauche was mit ganz dünnen Riemchen.«
Auf Eddies Bemerkung hin, sie könne genauso gut nackt gehen, erklärte sie, das wäre nicht anständig. Während sie die Comics las, hockte er sich über ihre Oberschenkel und trug das Öl dick auf. Als sie lachte, fragt er, was so lustig wäre.
»Garfield. Er ist so süß .«
Er beugte sich vor und blickte über ihre Schulter. »Wer?«
»Garfield.« Sie deutete mit dem Finger darauf. »Kennst du Garfield nicht?«
Eddie musterte die Zeichnung. »Ist das ein Waschbär?«
»Eine Katze, Dummkopf.« Della erklärte, dass Fantasiefiguren nie real aussähen und dass man sie deswegen ja auch Figuren nannte.
»Er schon.« Eddie zeigte auf Dagwood, verschloss die Tube mit dem Sonnenöl und rieb die Hände an seinen Armen ab. Dann drückte er sich aus der Hocke nach oben und lehnte sich gegen die Wand im Schatten des überhängenden Daches. »Er ähnelt meinem alten Herrn total, mit diesen hochstehenden Haaren.«
Della sagte, jetzt habe er ihn schon zum zweiten Mal erwähnt, seinen Daddy. Sie stellte die Unterschenkel senkrecht und wackelte mit den Zehen, deren Nägel grün lackiert waren. »Du musst ihn geliebt haben.«
Eddie schaute hinaus über die Dünen, den Strand und den bewegten Golf. Er roch die Brise, brackig und heiß, das leichte Aroma von Rohöl und Seegras. Er dachte nach und versuchte sich zu erinnern.
»Er war in Ordnung, ein bisschen verrückt. Ein zäher alter Kerl. Hat viel getrunken. Nicht besonders gebildet. Ist in den Sümpfen aufgewachsen und hat die Schule nach der dritten Klasse geschmissen. Hat Sumpfbiber und Waschbären gefangen, bis er mit neunzehn das trockene Festland entdeckt hat. Er hat mir mal erzählt, dass ihm bis dahin gar nicht klar war, dass die meisten Leute ohne Schlamm zwischen den Zehen leben. Dann hat er seinem Bruder das Boot überlassen und ist nach Lafayette gezogen, hat als Monteur für die Pipelines angeheuert und geheiratet. Aber irgendwie ist er trotzdem nie klargekommen,
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