Robert Enke
der Geschäftsstelle am Camp Nou wurde noch gearbeitet.
Jörg Neblung wollte auf erneute Enttäuschungen vorbereitet sein. Er hatte einen Vertrag mitgebracht. Vom FC Porto. Das Dokument,
bereits abgezeichnet vom Präsidenten Pinto da Costa, hatte er sich zufaxen lassen. Falls Barça weiter seine Spielchen trieb,
würde Robert Enke noch in Barcelona für Porto unterschreiben.
Jörg Neblung ging alleine zum FC Barcelona. »Ich hatte Herzklopfen«, sagt er.
Teresa und Robert sollten im Hotel an der Avenida Diagonal warten, bis im Vertrag wieder das ursprünglich versprochene Gehalt
auftauchte; oder bis Jörg Neblung ohne Erfolg zurückkehrte.
|140| Robert Enke trank nie viel Alkohol. Auf ihrem Hotelzimmer öffneten er und Teresa den Sekt aus der Minibar. Dann das Bier.
Im Fernsehen zeigten sie immer wieder, wie der Weltfußballer des Jahres 1999, Rivaldo, die Hände vor das Gesicht schlug und
schreiend zu Boden stürzte. Der Türke Hakan Ünsal hatte ihm in einer Spielpause bloß den Fußball gegen den Oberschenkel geschossen,
aber der Schiedsrichter fiel auf Rivaldos Theatralik herein und zeigte dem Türken die Rote Karte. Es war der Höhepunkt des
Weltmeisterschaftstages in Südkorea. 21 Uhr ging vorüber, 22 Uhr, und noch immer bewegte sich nichts außer Rivaldo.
Als das Handy klingelte, wusste Robert, wer es sein würde. 23 Uhr war vorüber.
»Du kannst jetzt kommen«, sagte Jörg.
In 103 Jahren waren nur zwei deutsche Fußballer in die Mannschaft des FC Barcelona aufgenommen worden, Bernd Schuster und
nun Robert Enke. Mitternacht war vorbei, und er wurde im Camp Nou von Radioreportern umringt, die live die ersten Worte des
neuen Torhüters übertrugen. Er sprach auf Portugiesisch, als würde im deutschen Radio ein Niederländer in seiner Heimatsprache
ohne Übersetzung interviewt. Im spanischen Sportradio, wo die Exzentrik Programm ist, störte das wenig. Ab Mitternacht, zu
einer Zeit, wenn sie doch schlafen oder etwas anderes tun sollten, hören täglich Millionen Spanier die Sportsendungen im Radio.
Von Fußballern wird erwartet, dass sie sich auch zu dieser Zeit für Interviews anrufen lassen. Auf der
Cadena Ser
, dem am meisten gehörten Sender, singen die Moderatoren gerne auch die Werbespots selber.
Ordentlich vorgestellt wurde Robert Enke in Spanien am nächsten Tag – von Portos Trainer José Mourinho. »Robert ist eine sichere
Wette für Barça. Wir wollten ihn auch holen, aber dann stieg Barça ins Rennen ein«, schrieb er in einem Beitrag für die katalanische
Sportzeitung
El Mundo Deportivo
. »Robert ist eine großartige Wahl, als Torwart wie als Mensch.« Da in Barcelona nicht wenige ihr Deutschenbild ausschließlich
von Bernd Schuster ableiteten, fügte er hinzu: »Robert ist nicht der klassische |141| Deutsche, introvertiert, mit einem schwierigen Charakter, ganz im Gegenteil.«
Ein guter Monat Urlaub blieb Robert Enke noch, bevor das Abenteuer bei Barça begann. Er konnte es nicht abwarten. Als er Marco
Villa besuchte, der inzwischen für den 1. FC Nürnberg spielte, ging er mit dem Freund in den Ferien auf den Trainingsplatz.
»Chico, ich komme heute mal mit dem Robert Enke vorbei, wir wollen ein bisschen was tun.«
»Robert Enke? Wer ist denn das?«, fragte Nürnbergs Platzwart.
Aber auf einmal war es nur noch lustig, dass er in der Heimat übersehen wurde. »Es gibt in Deutschland sicher Leute, die fragen:
Wie, Barcelona hat den Enke verpflichtet – für die B-Jugend, oder was?«, vermutete er. Wenn er am glücklichsten war, machte
er am liebsten Späße über sich selbst.
Einige Wochen später saß er zum ersten Mal in einem Straßencafé unter den gotischen Häusern in Barcelonas Altstadt. Er sah
die Gefahr von links auf sich zukommen. Doch bevor er etwas sagen konnte, war der Kampfhund vom Nebentisch schon bei Teresa.
»Lass gehen!«, rief Robert – seiner Frau zu, nicht dem Hund. Das große Risiko sei nicht, dass seine Frau von dem Tier gebissen
werde, sondern dass »sie den Hund mit nach Hause nimmt«.
Er lehnte sich im Stuhl zurück, um das Gesicht in die Sonne zu halten.
»Und vor ein paar Wochen dachten wir, es sei das Ende der Welt, weil mich Kaiserslautern nicht wollte.«
Er musste über sich selbst lachen.
»Stell dir vor, Kaiserslautern hätte mich gewollt. Wahrscheinlich hätte ich sofort zugesagt. Wie ich wohl geschaut hätte,
wenn mir Jörg ein paar Wochen später mitgeteilt hätte: Übrigens,
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