Roberts Schwester
dem Rand? Dass Robert sie rausgeprügelt hatte, glaubte ich kaum. Nach zwei Sekunden Stille fuhr sie fort:
«Es ist nicht allein ihre Ablehnung von eben. Das kann ich ja noch verstehen, wenn ich nur einen Arm hätte, vielleicht hätte ich auch Angst.»
Ich hatte zwei Arme und hoffte, dass Robert sie darauf aufmerksam machte. Aber sie war noch nicht fertig.
«Ist dir noch nicht aufgefallen, wie sie mich immer anschaut? Manchmal habe ich das Gefühl, sie will sich in meinen Kopf bohren.»
Hätte ich das nur gekonnt, dann hätte ich es getan. Wieder hörte ich das Plätschern im Wasser. Robert verursachte keine Geräusche, er hielt sich mit spärlichen Bewegungen vor ihr auf der Stelle. Ich war langsam näher an die Tür gegangen und konnte ihn sehen, seinen Rücken, den Hinterkopf, seine Arme dicht unter der Wasseroberfläche. Und sie im Profil. Den Kopf hielt sie gesenkt, zeichnete mit den Beinen Kreise ins Wasser. Eine wunderhübsche Geste der Verlegenheit, um den nachfolgenden Worten das richtige Gewicht zu verleihen.
«Und da ist noch etwas, Robert. Es ist mir peinlich, dir das zu sagen. Aber ich glaube, sie hat in meinen Sachen geschnüffelt.»
Das war eine bodenlose Frechheit. Ich hatte nicht geschnüffelt. Ihren Koffer hatte ich nicht angerührt, nur kurz in ihrer Handtasche nach dem Foto gesucht. Ich wollte es einmal mit der Lupe anschauen, um sicherzugehen, dass sie das Collier trug, das Robert ihr geschenkt hatte. Nur hatte ich das Foto nicht gefunden. Weder dieses noch andere. Das raffinierte Luder hatte vermutlich begriffen, welchen Fehler sie gemacht hatte. Vielleicht hatte Robert ihr in seiner Gutgläubigkeit sogar von meiner Vermutung erzählt. Ich wartete darauf, dass er sie energisch zurechtwies. Dass er zumindest sagte, sie müsse sich irren, mir käme nie der Gedanke, in den Sachen unserer Gäste zu schnüffeln. Das tat er nicht, stattdessen fragte er:
«Bist du sicher?»
Da wusste ich, dass mir ein harter Kampf bevorstand, wenn ich ihm die Augen öffnen wollte. Ich habe ihn verloren, meinen Kampf und meinen Bruder. Robert hat wohl noch begriffen, nur leider zu spät, viel zu spät. Er hat sie einfach unterschätzt, ihre Skrupellosigkeit nicht gesehen, ihre Kaltblütigkeit nicht einkalkuliert. Sie hat wahrhaftig nicht viel Zeit an ihn verschwendet.
3. Kapitel
Es war ein entsetzliches Gefühl, zu liegen, zu grübeln und zu wissen, dass ich jetzt allein war, wirklich und endgültig allein. Und Isabell feierte ihren Triumph – zusammen mit ihrem Bruder. Ich hätte sie auf der Stelle töten können, beide. Wenn ich nur in der Lage gewesen wäre, die Treppe hinaufzusteigen. Ich konnte nicht einmal von der Couch aufstehen. Erst am späten Nachmittag schaffte ich es bis zur Toilette. In der Halle bemerkte ich das Polizeisiegel an der Tür zu Roberts Arbeitszimmer. Es war ein Witz, absurd war es, und ich konnte es mir nicht erklären. So dumm konnte dieser Wolbert nicht sein. Andererseits, wusste ich denn, was Isabell ihm alles erzählt hatte nach meinem Zusammenbruch? Vielleicht war er ebenso auf ihre Masche hereingefallen wie Robert, der sich anfangs auch von haarsträubenden Fakten nicht überzeugen ließ. Und ich hatte eine Menge haarsträubender Fakten zusammengetragen. Nach dem Wochenende im Februar, als ich begreifen musste, wie sehr Robert ihr bereits verfallen war, beauftragte ich einen Privatdetektiv. Ich hoffte, mit dem geeigneten Material könnte ich Robert zur Einsicht bringen. Schon nach zwei Tagen erhielt ich telefonisch einen ersten Bericht, der mir den Atem verschlug. Ich hatte ihre Fingernägel richtig zugeordnet. Isabell Torhöven war ein Barmädchen, genauer gesagt, sie arbeitete als Animierdame in einem Nachtclub von zweifelhaftem Ruf. Und da wollte sie von drei Tropfen Cognac ihre Hemmungen verlieren? Wie hätte sie etwas verlieren können, was sie nie besessen hatte? Der Detektiv hatte in den beiden Tagen noch mehr in Erfahrung gebracht. Unter anderem, dass Isabell vor einiger Zeit ein Verhältnis mit einem Gast begonnen hatte, das noch andauerte. Es war nicht nur eine Affäre, sie ließ sich aushalten von diesem Mann, ohne allerdings ihre Arbeit aufzugeben. Der Beschreibung nach musste es sich um den dunkelhaarigen Mann auf dem Foto handeln. Ich wollte schon aufatmen. Doch einige Tage später legte mir der Detektiv etliche Fotos vor. Und die Aufnahmen zeigten Robert an Isabells Seite, vor ihrer Wohnung und in der Nachtbar. Er fuhr zu der Zeit häufig nach Frankfurt,
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