Roberts Schwester
Trommelrevolver benutzt.»
Er fragte nach Waffen, nur der Form halber, wie er betonte. Robert hatte eine Pistole besessen, ordnungsgemäß mit Waffenschein. Es hatte vor einigen Jahren eine Serie von äußerst brutal durchgeführten Raubüberfällen in unserem Viertel gegeben. Keine Alarmanlage, kein Wachhund und nicht der eingeschaltete Sicherheitsdienst hatte den Tätern Einhalt gebieten können. Robert war – wenn auch ungern – dem Beispiel einiger Nachbarn gefolgt und hatte sich die Waffe zugelegt. Wo er sie aufbewahrt hatte, wusste ich nicht.
«In seinem Schlafzimmer», sagte Wolbert und lächelte.
«Wir haben die Pistole sichergestellt. Das ist eine Formsache. Ich bin sicher, dass eine Untersuchung sie als Tatwaffe ausschließt. Kaliber sieben fünfundsechzig, da wäre die Kugel ausgetreten. Andere Waffen sind nicht im Haus?»
Ich schüttelte erneut den Kopf. Vor einigen Wochen hatte ich Serge gebeten, mir eine Waffe zu besorgen, was er auch prompt erledigt hatte. Ein kleiner Revolver der Marke Colt mit einer Schachtel der dazugehörigen Munition, Kaliber zweiundzwanzig. Robert hatte das Ding in meinem Atelier gefunden und es mir weggenommen.
«Was soll das, Mia?», hatte er gefragt.
«Was willst du mit diesem Spielzeug?»
Was wohl? Wenn man sich zehn Jahre lang mit unerträglichen Schmerzen quält. Wenn man sich regelmäßig einmal in der Woche von einem Stümper anhören muss, dass es keine organische Ursache gibt, dass es nur die Angst ist, den Bruder oder zumindest die Kontrolle über ihn zu verlieren. Wenn man begreifen muss, dass der einzige Mann, der einem alles bedeutet, nach Strich und Faden betrogen wird und beide Augen vor der Wirklichkeit verschließt. Wenn man Nacht für Nacht erleben muss, wie er im Nebenzimmer um ein bisschen Zärtlichkeit bettelt. Wenn er tagsüber nur noch mit diesem gequälten Blick herumläuft. Wenn er jedes Wort und jeden gut gemeinten Ratschlag mit einem
«Bitte, Mia, hör endlich auf damit»
quittiert. Was soll man dann wohl mit einem kleinen Colt tun wollen? Robert hatte ihn versteckt. Aber ich hatte nicht lange gebraucht, ihn wieder zu finden. Nur hatte ich ihn nicht wieder an mich genommen. Ich hatte gedacht, es reiche, wenn ich im Notfall wusste, wo er lag. Jetzt fragte ich mich, ob Isabell es auch gewusst hatte. Kleines Kaliber, keine Austrittswunde. Ich war mir ziemlich sicher, mit welcher Waffe Robert erschossen worden war. Ob Isabell den Colt beiseite geschafft oder ob sie die Dreistigkeit besessen hatte, ihn zurück an seinen Platz zu legen? Nein, wahrscheinlich nicht. So dumm konnte sie nicht sein. Wenn die Mordwaffe im Haus gefunden wurde, war es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Mörderin. Die halbe Nacht hatte ich damit zugebracht, mir vorzustellen, dass Robert jetzt in einem Kühlfach der Gerichtsmedizin lag. Und sie lag in dem warmen Bett, das er mit ihr geteilt hatte. Ich hatte überlegt, wie ich mich verhalten sollte, wenn die Polizei mit weiteren Fragen kam. Meinen Verdacht offen aussprechen? Was heißt Verdacht, meine Gewissheit. Nein! Isabell war allein meine Sache. Ich wollte nicht zusehen müssen, wie sie abgeführt wurde. Ich wollte nicht hören, dass ein Richter sie zu ein paar läppischen Jahren Gefängnis verurteilte. Das war zu billig. Also schwieg ich, erwähnte mit keinem Wort, dass Robert kurz vor seinem Tod noch einmal bei mir gewesen und dann nach oben gegangen war. Nicht allein, wohlgemerkt, nicht allein! Anfangs war Wolbert nett und unaufdringlich. Obwohl er Unmengen von Fragen stellte, wirkte er in keiner Weise neugierig oder penetrant, nur bemüht. Der Freund und Helfer in der Not, der nichts auf das gab, was andere ihm eingeflüstert haben mochten. Das änderte sich jedoch, gerade als ich begann, ihn für einen fairen Mann zu halten.
«Sie hatten in der Nacht einen Streit mit Ihrem Bruder.»
Eine Frage war das nicht mehr. Er stellte es als Tatsache in den Raum.
«Ich kann mich an keinen Streit erinnern», sagte ich. Doch woran ich mich erinnerte, spielte bereits keine Rolle mehr. Isabell und Jonas hatten die Zeit, die ich nutzlos mit konfusen Gedanken und grausamen Vorstellungen verplempert hatte, weidlich genutzt, die Arbeit der Polizei nach Kräften zu unterstützen. Wie Wolbert es aussprach, waren es nur noch Feststellungen, die er von mir bestätigt sehen wollte. Sie hatten in letzter Zeit häufig Auseinandersetzungen mit Ihrem Bruder! Sie hatten in der Nacht zum Freitag Alkohol getrunken, zusätzlich gab
Weitere Kostenlose Bücher