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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Ihnen Ihr Bruder ein starkes Medikament gegen Ihre Schmerzen! Könnte es sein, dass diese Kombination die Ursache Ihrer Gedächtnislücke ist? Hatten Sie in letzter Zeit häufiger Schwierigkeiten mit Ihrem Erinnerungsvermögen? Nein, verdammt! Möglich, dass mir hin und wieder einige Stunden fehlten. Zugegeben, die letzte halbe Stunde mit Robert gehörte dazu. Aber gestritten hatten wir nicht. Wir hatten überhaupt nie gestritten. Während Wolbert fortfuhr mit seinen Fragen, die gar keine waren, schlenderte sein Lehrling durch mein Atelier. Zuerst stand er vor einem der Fenster, schaute hinaus in den Garten und murmelte etwas von herrlicher Aussicht. Dann wurde er von dem Tisch angezogen, auf dem meine Werkzeuge lagen. Seit zehn Jahren lagen sie dort, bis auf einen Meißel ungenutzt. Nach dem Unfall hatte ich nicht mehr arbeiten können. Bildhauerei mit nur einem Arm ist unmöglich. Versucht hatte ich es, aber irgendwann hatte ich kapitulieren müssen. Die Plastik, an der ich zuletzt gearbeitet hatte, stand in einer Ecke des Raumes. Sie war mannshoch und mit einem Tuch abgedeckt. Meine letzte Arbeit, meine beste. Die letzte ist immer die beste, solange sie nicht vollendet ist. Zyklop hatte ich sie nennen wollen, obwohl sie nicht viel Ähnlichkeit mit dem einäugigen Riesen der griechischen Sage aufwies. Es kam mir später vor wie ein böses Omen. Später war ich der Zyklop. Ich hoffte nur, dass der neugierige Bengel das Tuch nicht fortzog und auch noch damit begann, mir dumme Fragen zu stellen. Wir hatten gefeiert damals, Robert, Marlies, Olaf Wächter und ich, die Teilübernahme des «Cesanne» . Olaf verabschiedete sich kurz vor Mitternacht, verwies auf sein Büro, in dem man ihn am nächsten Tag pünktlich um neun hinter seinem Schreibtisch erwartete. Robert, Marlies und ich blieben noch. Es war sehr lustig und sehr feucht. Wir blieben, bis die Bar schloss. Dann machten wir uns auf den Heimweg. Robert saß am Steuer, Marlies neben ihm. Sie hatte hinten einsteigen wollen, aber ihr Platz, fand ich, war an Roberts Seite. Also quetschte ich mich auf den Notsitz, direkt hinter Marlies. Ich wollte Robert sehen. Hätte ich hinter ihm gesessen, wäre mir das nicht möglich gewesen. Er war so guter Laune, rundherum glücklich und zufrieden. Im Laufe des Abends hatte er etliche Gläser Champagner getrunken, jedoch nicht genug, um fahruntüchtig zu sein. Es reichte nur aus, ihn seine gewohnte Vorsicht vergessen zu lassen. Richtig wagemutig wurde er. Und wir hatten anfangs auch noch unseren Spaß daran, fühlten uns mit dem Champagner im Blut und dem sanften Nebel im Hirn ein bisschen wie auf der Achterbahn. Dann setzte Robert kurz vor einer unübersichtlichen Kurve zum Überholen an. Es gab Gegenverkehr. Ich sah das Scheinwerferpaar auf uns zukommen. Robert sah es natürlich auch und versuchte, wieder einzuscheren. Aber da war dieser Lastzug, den er hatte überholen wollen. Marlies war auf der Stelle tot. Es hatte ihr den Kopf weggerissen. Er fiel nach hinten. Die Feuerwehr brauchte Stunden, um sie und mich aus dem Wrack zu schneiden. Ich habe nichts davon gesehen oder gehört. Der Anblick ihres abgetrennten Kopfes in meinem Schoß blieb mir gnädigerweise erspart, Robert leider nicht. Er hatte nur ein paar unerhebliche Verletzungen davongetragen, hatte sich selbst befreien können und noch vor dem Eintreffen der Rettungsmannschaft versucht, uns zu helfen. Es hat ihn beinahe um den Verstand gebracht. Er dachte, ich sei ebenfalls tot, weil mein Gesicht einen ähnlichen Anblick bot wie der Halsstumpf auf dem Vordersitz. Die rechte Hälfte einfach wegrasiert. Es muss ausgesehen haben wie ein gespaltener Schädel. Das Wangenbein war nur noch eine zersplitterte Masse, Kieferknochen und Zähne lagen bloß. Die rechte Schulter war völlig zertrümmert. Monatelang lag ich in einer Klinik. Meinen rechten Arm habe ich nur dank eines hoch qualifizierten Chirurgen behalten. Er ist steif, aber er hängt zumindest noch von meiner Schulter. Mein rechtes Auge war nicht zu retten, die Beziehung zu Olaf auch nicht. Er besuchte mich jeden Tag, wechselte sich mit Robert ab, saß Stunde um Stunde neben meinem Bett, als ich noch gar nicht wieder bei Bewusstsein war. Von Robert hörte ich später, dass Olaf sich in den ersten Tagen nicht für eine Minute von meiner Seite gerührt hatte. Meine linke Hand gehalten und gebettelt – lass mich nicht allein, Mia, ich liebe dich, ich brauche dich und so weiter. Als ich endlich aufwachte, machte er mir

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