Roberts Schwester
Mia», bat er.
«Ich möchte nur ein wenig Ruhe haben.»
Als sie am späten Sonntagabend zurückkam, rannte er ihrem Wagen förmlich entgegen. Es tat weh zu sehen, wie er sie in die Arme nahm. Eine geschlagene Viertelstunde standen sie vor den Garagen und sprachen miteinander. Ende Juni war das. Die Nacht zum Montag verbrachte ich im Atelier. Ich konnte mir nicht anhören, wie Robert in seinem Zimmer über seine Sorge sprach, ihr könne etwas zugestoßen sein. Wie er um eine Erklärung bettelte. Natürlich bekam er eine, und sie troff nur so vor Sarkasmus. Isabell hatte gedacht, wir hätten gerne mal wieder ein Wochenende für uns allein. Und dann bat Robert sie auch noch um Verzeihung und versprach ihr, einiges zu ändern und mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Ich war fest entschlossen, erneut den Detektiv zu beauftragen. Es ging mir gar nicht mehr darum, Robert zu überzeugen. Ich wollte nur noch wissen, ob ich mich in etwas hineinsteigerte. Ob es tatsächlich nur an mir lag, wie Olaf und Piel mir einreden wollten. Wenn meine Anwesenheit Isabell aus dem Haus trieb und verhinderte, dass Robert eine glückliche Ehe führen konnte, hätte ich die Konsequenz gezogen. Aber wenn ich mich nicht irrte, und ich glaubte einfach nicht, dass ich mich dermaßen irren könnte, dann hatte sie das Wochenende mit Fechner verbracht. Sie traf ihn mindestens zweimal pro Woche in der Stadt, und mich benutzte sie als Vorwand. Ich wusste es, fühlte es. Sie war irgendwie anders, wenn sie von ihren Touren zurückkam. Sie war – wie soll ich es ausdrücken – stärker, ruhiger, unschlagbar, als hätte sie irgendwo Kraft getankt. Vor allem an dem Sonntagabend war es überdeutlich gewesen, als sie zusammen mit Robert ins Haus kam, den Arm um seine Taille, seinen Arm um die Schultern, und ihr Lächeln dabei, der Triumph in ihrem Blick, als sie mich in der Halle stehen sah. Piel wollte mich überzeugen, dass Isabell vielleicht nur ein stilles Plätzchen gesucht habe, um abzuwägen, ob Robert ihr so viel bedeutete, dass sich um den Preis seiner Liebe eine krankhaft misstrauische und eifersüchtige Schwester ertragen ließe. Eine junge Frau, die in eine intensive Zweierbeziehung eingedrungen war und sich als Eindringling empfand, nannte er sie. Und nun wusste dieses arme Geschöpf nicht, ob es lohnte, um seinen Platz zu kämpfen. Und ich hörte im Geist den Detektiv sagen, dass sie es ohne Fechner keine vier Wochen aushielte. Es waren genau vier Wochen gewesen, zwei vor der Trauung und zwei auf Hochzeitsreise. Danach hatte sie vormittags an der Strippe gehangen und sich nur am Nachmittag ein paar Stunden mit ihm gegönnt. Auf Dauer reichte das wohl nicht, da mussten es endlich wieder einmal zwei Nächte sein. Aber sollte ich den Detektiv tatsächlich noch einmal engagieren, um es zu beweisen? Ich hatte wahnsinnige Angst, dass Robert von einem erneuten Überwachungsauf-trag erfuhr, dass er seine Drohung wahr machte und ein Haus für sich suchte. Es war – in dem Punkt stimmte ich mit Piel überein – eine kritische Phase. Eine junge Ehe, natürlich wog da die Frau noch stärker als die Schwester. Isabell konnte ihn sich schließlich im Bett gefügig machen. So versuchte ich auf eigene Faust, mir Gewissheit zu verschaffen. An einem Donnerstagnachmittag folgte ich ihr das erste Mal. Leider kannte sie meinen Wagen und bemerkte mich rasch. Sie steuerte ein Ärztehaus in der Innenstadt an. Ich fand einen Parkplatz in der Nähe, und sie besaß die Frechheit, zu mir an den Wagen zu kommen. Sie amüsierte sich prächtig über mein laienhaftes Vorgehen.
«Möchtest du mich begleiten, Mia? Lieb von dir. Komm ruhig mit, ich habe einen Termin beim Gynäkologen. Man fühlt sich nicht so ausgeliefert, wenn man auf dem Untersuchungsstuhl liegt und ein bisschen Gesellschaft hat. Robert hatte leider keine Zeit.»
Beim zweiten Versuch entwischte sie mir noch vor der Stadtgrenze. Sie war zwar keine außergewöhnlich routinierte Fahrerin, aber mit ihrem Renault doch entschieden wendiger als ich in einem Wagen, der nur auf meine Behinderung zugeschnitten war und nicht geeignet für Wettrennen und waghalsige Überholmanöver. In den Stunden bei Piel kämpfte ich nur noch verzweifelt darum, dass wenigstens er mir glaubte. Ob er es tat, ließ er nicht erkennen. Aber er half mir immerhin, einen Teil meiner Angst zu bekämpfen und zu begreifen, dass es nicht ohne fremde Unterstützung ging.
«Wenn Sie Gewissheit haben wollen», sagte er, «werden Sie nicht
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