Roberts Schwester
Vertrauen in die Medizin eines afrikanischen Landes. Er schlug vor, seinen Schwager sobald als möglich in die Heimat zu holen. Er war sogar bereit, ein spezielles Flugzeug zu chartern. Isabell telefonierte am nächsten Morgen mit ihrem Bruder und erstattete anschließend Bericht. Transportfähig war er, aber Eile war nicht geboten. Passiert war es schon vor acht Wochen. Dass deutsche Ärzte noch etwas an seinem Zustand ändern könnten, glaubte er nicht. Natürlich wollte er zurück in die Heimat, nur musste es nicht heute oder morgen sein. Er wusste ja auch nicht, wohin. Robert rief seine Mutter an und ließ sich von ihr erklä- ren, was es bedeutete, von der Hüfte abwärts gelähmt zu sein. Sehr viel wusste Lucia nicht darüber. Sie war seit langer Zeit nicht mehr in ihrem Beruf als Krankenpflegerin tätig. Aber einiges konnte sie ihm doch sagen. Der Umgang mit einem Rollstuhl sei nicht schwer zu erlernen, meinte sie. Viel schwieriger sei es, die Körper-funktionen zu kontrollieren. Es sei ja keine Empfindung mehr im Unterleib vorhanden. Im schlimmsten Fall bedeutete das, solch ein Mensch musste gewickelt werden wie ein Säugling. Eine grausame Vorstellung für einen erwachsenen Mann, der bei vollem Verstand war. Im besten Fall hieß es, er konnte trainieren, seinen Körper an festgelegte Zeiten zu gewöhnen, um sich auf diese Weise eine entwürdigende Prozedur zu ersparen. Daraufhin wollte Robert für Jonas Torhöven einen Platz in einem Rehabilitationszentrum beschaffen, wo man ihn auf ein eigenständiges Leben hätte vorbereiten können. Anschließend wollte Robert eine behindertengerechte Wohnung kaufen, falls gewünscht auch in unserer Nähe. Er wollte eine Hilfe für den Haushalt einstellen und natürlich einen Pfleger. Das hing jedoch vom Grad der Behinderung ab. Wenn sie zu gravierend war, mussten wir uns eben um ein gutes Pflegeheim bemühen. Ich fand Roberts Vorschläge vernünftig und gut durchdacht. Isabell dagegen protestierte lauthals.
«Ihr glaubt wohl, mit Geld lässt sich alles regeln, was? Ihr drückt einem ein paar Tausender in die Hand, und dann soll man zusehen, wie man sich beschäftigt. Aber das lasse ich nicht zu. Ich habe doch außer Jonas niemanden mehr. Ich lasse ihn nicht abschieben.»
Kein Mensch hatte von «abschieben» gesprochen. Es gab absolut keinen Grund für eine so heftige Reaktion. Es gab vor allem deshalb keinen Grund, weil Isabell sich bis zum Eintreffen der Nachricht einen Dreck darum geschert hatte, ob ihr Bruder seinen Kopf unter dem Arm oder ein Bein im Nacken trug. Und plötzlich dieser Sinneswandel.
«Ich will ihn bei mir haben. Das müsst ihr doch verstehen. Gerade ihr, ihr hängt ja auch aneinander wie die Kletten. Und es ist doch Platz genug im Haus.»
Robert war nicht ganz einverstanden. Das sah ich ihm an, aber ich sah auch die Vorteile. Mit einem Pflegefall im Haus musste Isa zwangsläufig daheim bleiben. Mir wäre eine große Last von der Seele genommen, dachte ich, wenn ich nicht mehr grübeln musste und mich verrückt machen, ob sie mit Fechner zusammen war. Sie war überrascht, dass ausgerechnet ich dafür plädierte, ihrem Verlangen nachzugeben. Robert fügte sich schließlich – für eine Versuchszeit, wie er betonte. Er sprach es nicht offen aus, aber ich wusste, was er dachte. Dass Isabell es rasch leid wäre. Sie war nicht der Typ, sich für einen anderen aufzuopfern, nicht einmal für den eigenen Bruder.
«Wenn dir so viel daran liegt», sagte Robert zu ihr,
«probieren wir es. Wenn du dich überfordert fühlst oder es deinem Bruder bei uns nicht gefällt, können wir immer noch eine andere Lösung suchen.»
Er wollte eine Fachkraft für die Pflege engagieren. Das konnte ich ihm jedoch ausreden. Dieses Aas hätte uns höchstwahrscheinlich Fechner ins Haus geholt und ihn als Krankenpfleger ausgegeben.
«Lass es sie doch erst einmal alleine versuchen», sagte ich.
«So schwer kann es nicht sein, einen Mann im Rollstuhl zu betreuen. Es gibt genügend Hilfsmittel. Und sie beschwert sich doch andauernd, sie hätte nichts Vernünftiges zu tun. Dann hat sie eine sinnvolle Aufgabe.»
Isabell war mit meinem Vorschlag einverstanden. Sie unterstützte mich sogar.
«Mia hat Recht. Ich glaube, Jonas wäre gar nicht einverstanden, wenn wir eigens jemanden einstellen. Krankenpfleger, das klingt so sehr nach Abhängigkeit. So deutlich muss man ihm nicht vor Augen führen, was mit ihm passiert ist.»
Natürlich sprach ich mit Piel über diese
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