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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Antwort die Sprache verschlagen. Und ich drehte mich um und ging in mein Zimmer. Ich zog mich aus, ging ins Bad und ließ Wasser in die Wanne. Es entspannte mich ein wenig, ausgestreckt im warmen Wasser zu liegen. Der Druck im Schädel ließ nach. Als ich mir eine halbe Stunde später frische Wäsche anzog, fühlte ich mich wieder wie ein menschliches Wesen. Und mir wurde bewusst, dass ich mich dringend um den kleinen Colt kümmern musste. Robert hatte ihn im Keller versteckt, nachdem er ihn mir weggenommen hatte. Neben der Sauna war ein Raum ohne Fenster, der als Gerätekammer genutzt wurde. Einmal in der Woche kam der Gärtner, kümmerte sich um den Rasen, Bäume, Sträucher und Hecken, sein Arbeitsgerät wurde in der Kammer aufbewahrt. Rasenmäher, Heckenscheren, Spaten und Harken, ein Stapel mit Planen, die im Winter dazu dienten, verschiedene Sträucher vor Frost zu schützen, und ein verschließbarer kleiner Schrank, in dem früher diverse Mittel zur Unkraut-Vernichtung und Schädlingsbekämp-fung aufbewahrt worden waren. Seit Jahren verzichteten wir darauf, solche Mittel einzusetzen. Seitdem war der Schrank leer. Es gab für den Gärtner keine Veranlassung mehr, ihn zu öffnen. Und dort hatte der Colt zuletzt gelegen. Da lag er immer noch. Oder wieder! Vielleicht hatte Isabell ihn erst am Mittag zurück auf seinen Platz gelegt, ehe sie ins Wasser stieg. Ich hätte ihr auf der Stelle folgen müssen, als sie hinunterging. Was sie in den ersten zehn Minuten getrieben hatte, wusste nur sie allein. Aus einem ersten Reflex heraus wollte ich nach der Waffe greifen, aber dann besann ich mich. Auf einem Regalbrett an der Wand lagen Arbeitshandschuhe. Sie waren mir zu groß, und sie waren sehr grob. Ich hatte kein Gefühl mehr in den Fingern, als ich einen davon übergestreift hatte. Aber es war besser als nichts. Der Colt sah wirklich aus wie ein Spielzeug in diesem groben Arbeitshandschuh. Die Trommel ließ sich ausschwenken, jede Kammer war gefüllt, eine Patrone war leer. Die Kugel, die sie enthalten hatte, steckte jetzt in Roberts Kopf. Nein, jetzt wahrscheinlich nicht mehr. Der Gerichtsmediziner hatte sie wohl inzwischen entfernt. Als ich mit meinen Gedanken so weit gekommen war, als ich mir vorzustellen begann, wie Roberts nackter Körper auf einem Stahltisch lag – sie benutzen doch Stahltische in der Pathologie, die lassen sich leichter säubern –, da löste sich der Knoten. Ich spürte noch, dass mir etwas sehr heiß in die Nase stieg, dann kamen endlich die Tränen. Ich wollte hinaufgehen, ich wollte Isabell das antun, was sie mir angetan hatte, ihren Bruder über den Haufen schießen. Aber ich konnte nicht, ich konnte einfach nicht. Es wäre doch viel zu billig gewesen. Ich hockte nur halbblind auf den Abdeckplanen für unsere Rosen. Ich wollte sie wirklich töten, zuerst ihn, dann sie. Aber ich wusste nicht, wie, und ich wusste auch nicht, ob ich mich danach besser fühlen würde. Wie lange ich im Keller saß, wusste ich später auch nicht mehr. Es nahm einfach kein Ende. Ich hatte nie geweint, nicht einmal als Kind. Ich konnte es eben nicht. Und jetzt lief es nur so aus mir heraus, als ob man einen Wasserhahn aufgedreht hätte. Irgendwann war mir, als ob ich Schritte auf der Treppe hörte. Langsame, zögernde vorsichtige, unsichere, zurückhaltende Schritte. Ich hörte nicht mehr so gut, meine Nase war zugeschwollen und hatte mir die Ohren gleich mit verstopft. Und ich dachte, es wäre Robert. Ich dachte es wirklich, wollte schon aufspringen, ihm entgegenlaufen und mich in seine Arme werfen. Dann fiel mir ein, dass er nie wieder eine Treppe hinunterkommen konnte, um zu sehen, ob es mir gut ging. Da konnte ich mich nicht mehr rühren. Ich konnte auch nicht richtig sehen. Mit dem Kleid wischte ich mir mehrfach das Auge trocken, nur konnte ich nicht aufhören zu weinen. Wie sollte ich auch, Robert war tot. Und er war gestorben mit all den Sorgen, die ich ihm in den letzten Wochen gemacht hatte. Eine Hilfe hatte er wahrhaftig nicht mehr an mir gehabt. Was mochte er gedacht haben, wenn er mich sah? Immer dieser zweifelnde Blick in den letzten beiden Wochen. Dieses Abwägen in den Augen. Ist das noch meine Mia? Ist das noch die Frau, die mir beibrachte, ein Auto zu fahren, die mir erklärte, wie viel Zärtlichkeit und Geduld ein junges Mädchen beim ersten Mal brauchte. Die so angetan war von Marlies und so schockiert von Isa. Was kann ich ihr noch zumuten? Wie viel darf ich ihr noch anvertrauen? Immer die

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