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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Ratlosigkeit, die endlosen Minuten voll Schweigen. Als ob er Angst gehabt hätte, mir endlich zu gestehen:
    «Du hattest Recht, Mia. Du hattest von der ersten Stunde an Recht. Aber ich werde jetzt endlich die Konsequenz ziehen. Ich werde mich von Isa trennen, das verspreche ich dir. Jetzt müssen wir beide nur ein bisschen vorsichtig sein. Wenn Isa zu früh bemerkt, was ich vorhabe, könnte es geschehen, dass sie mir zuvorkommt. Sie ist nämlich schwanger, und du weißt, was das bedeutet. Wenn sie ein Kind bekommt, ist mein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Mia, kann ich mich darauf verlassen, dass du schweigst?»
    Natürlich hätte ich geschwiegen, doch, bestimmt, ich hätte geschwiegen wie ein Grab. Ich hätte höchstens mit Piel darüber gesprochen. Das will ich nicht ausschließen. Bei Piel hatte ich ja immer das Bedürfnis, ihm seine Irrtümer vor Augen zu führen. Und Robert hatte das gewusst. Er hatte auch gewusst, dass Piel mir nur wieder das Gegenteil erklärte und mich damit unnötig aufregte. Vielleicht hatte Robert sogar gewusst, dass man Piel nicht mehr trauen konnte. Er musste es gewusst haben, deshalb hatte er wohl auch mit ihm reden wollen. Wenn er es denn tatsächlich zu Jonas gesagt haben sollte, bewiesen war das ja nicht. Irgendwann schaffte ich es, den Colt in ein anderes Versteck zu bringen und wieder nach oben zu gehen. Ich war überzeugt, Isabell sei inzwischen mit Lucia zurück, dass es ihre Schritte gewesen waren, die ich auf der Treppe gehört hatte. Ich wollte nicht denken müssen, ich hätte mir nur eingebildet, da käme jemand zu mir in den Keller. Sie hatten mir doch immer wieder erklärt, dass ich mir alles nur einbilde und mich hineinsteigere und den Verstand verliere. Und manchmal hatte ich es selbst geglaubt. Es war still im Haus, es war so entsetzlich still. Es war niemand da. Und die Wodkaflasche war leer. Ich suchte in der Vorratskammer noch nach einem Ersatz, als ich endlich den Renault die Einfahrt hinaufkommen hörte. Gott, ich war so erleichtert. Und ich dachte, dass ich vielleicht nur das Blut in meinen Ohren hatte pochen hören. Dieses ungewohnte Weinen, es zuckte immer noch nach. Wenig später hörte ich Lucias Stimme.
    «Nein, nein, Kind, meinen Koffer trage ich selbst.»
    Arme Lucia, gute Lucia, blinde Lucia. Aber wenigstens war ich nicht mehr allein. Lucia stand mitten in der Halle, klein und rundlich, das ehemals schwarze Haar von Unmengen grauer Strähnen und das vor einem halben Jahr noch pralle Gesicht von einer Vielzahl tiefer Kerben durchzogen, trotzdem eine stattliche Erscheinung. Ihren Koffer hatte sie neben sich auf dem Boden abgestellt. Sie breitete die Arme aus. Wie oft hatte sie das früher für mich getan. Und niemals hatte ich es geschafft, mich in ihre Arme zu flüchten. Jetzt konnte ich es. Es tat so gut, es war fast, als ob Robert mich hielte. Ich war ein gutes Stück größer als sie, doch in dem Augenblick überragte sie mich. So standen wir ein paar Sekunden lang. Lucia strich mit einer Hand über meinen Rücken, murmelte ein paar tröstlich klingende Worte in ihrer Muttersprache. Dann gab sie mich frei und sagte:
    «Du hast dein Kleid schmutzig gemacht, Mia.»

    «Ich weiß», sagte ich.
    «Ich ziehe mich rasch um. Dann können wir essen. Du hast sicher Hunger.»
    Wir gingen zusammen hinauf in den ersten Stock. Isabell war bereits vorausgegangen, um Jonas dahin gehend zu informieren, dass sie sich während der Fahrt ausgezeichnet mit ihrer Schwiegermutter unterhalten hatte. Ich ging in mein Zimmer und Lucia in das ehemalige, seit ewigen Zeiten ungenutzte Elternschlafzimmer. Nachdem ich mich umgezogen hatte, ging ich zu ihr hinüber. Sie hatte das Fenster weit geöffnet und war dabei, eines der Betten mit frischer Wäsche zu beziehen. Ich hatte das Bedürfnis, mich bei ihr zu entschuldigen, weil ich das Zimmer nicht vorbereitet und weil ich nicht auf Robert aufgepasst hatte. Ich hatte ihr doch damals versprochen, ihn zu hüten wie meinen Augapfel. Und nachdem ich das rechte Auge verloren hatte, war mir das linke doppelt kostbar gewesen. Da hatte ich erst begriffen, was es heißt, einen Menschen wie einen Augapfel zu hüten. Aber ich kam mit meiner Erklärung nur bis zum Zimmer. Lucia winkte ab.
    «Es ist nicht wichtig, Mia. Erzähle mir lieber, was hier passiert ist. Roberto rief mich an, heute vor einer Woche. Er bat mich, euch zu besuchen. Er sagte, Mama, es geht etwas vor im Haus, ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Ich brauche einen

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