Roberts Schwester
verlassen. Er wusste, dass ich das nicht ertragen hätte. Und er liebte mich doch. Nur für Isabell und Jonas hatte er den Bungalow gekauft, weil er sie aus dem Haus haben wollte. Ich sagte ja schon, dass er viel zu gutmütig war, dass er keinen Straßenköter vor die Tür hätte setzen können, selbst dann nicht, wenn dieser Köter unentwegt nach ihm schnappte. Das sagte ich doch schon, oder? Ich meine, ich hätte es schon erwähnt. Aber es ist nicht so wichtig. Tatsache war, dass die beiden Köter da oben um Roberts Beine scharwenzelten, ihm von verwegenen Männern am Lagerfeuer im Wüstencamp vorschwärmten und nur nach mir schnappten, wenn er nicht hinschaute. Sie hatten das wirklich sehr geschickt eingefädelt. Es muss sie Monate an Planung gekostet haben. Und dann setzten sie diesen Plan langsam und systematisch in die Tat um. Und dabei bildeten sie sich ein, Robert hinge am Haken, um ihn müssten sie sich keine Sorgen machen. Sie könnten sich voll und ganz auf mich konzentrieren, hatten sie gedacht. Und das hatten sie auch getan, in den letzten fünf Wochen war es nur noch darum gegangen, mich an die Wand zu spielen. Aber sie hatten Robert unterschätzt. Sie hatten nicht einkalkuliert, wie gut er mich kannte und wie viel ich ihm bedeutete. Nachdem ich es vor fünf Wochen abgelehnt hatte, von Jonas eine Entschuldigung entgegenzunehmen, hatte ein paar Tage Ruhe im Haus geherrscht. Aber das war nur oberflächlich, unter der Oberfläche brodelte es mächtig. Es verging keine Nacht, in der ich Isabell nicht flüstern hörte, manchmal verstand ich meinen Namen, manchmal hörte ich den von Jonas. Isabell gab sich Robert gegenüber ahnungslos und sehr besorgt. Aber nicht etwa besorgt um Jonas. Besorgt um mich. Unter dem Mäntelchen der liebenden Ehefrau, treu sorgenden Schwester und der ängstlich bemühten Schwägerin bearbeitete sie Robert und verlangte ihm etwas Unmögliches ab. Was meinen Unfall anging, war Isabell längst über jede Einzelheit informiert. Und nun tastete sie sich allmählich vor. Über die Narben im Gesicht zu Olaf, von Olaf zu dem in der Ecke stehenden Steinklotz und von dort zu dem nutzlos herunterhängenden Arm. Vom Arm zum Atelier war es nur noch ein kleiner Schritt. Und plötzlich hieß es, es sei nicht gut für mich, wenn ich so viel Zeit in meinem Atelier verbrächte. Isabell gab sich praktisch und sparsam. Man könne zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, mich von meinen unseligen Erinnerun- gen befreien und Jonas mehr Bewegungsfreiheit verschaffen. Gut vierzehn Tage brauchte sie, um Robert davon zu überzeugen, dass sie nur mein Bestes wollte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Da hieß es sogar, dass ich Jonas vielleicht nur deshalb aus dem Weg ginge, weil er mich an meinen Unfall erinnerte. Mir gegenüber hatte sie es noch andersherum behauptet. Aber sie wusste auch genau, dass sie Robert mit dem Unfall an seiner empfindlichsten Stelle traf. Vor drei Wochen kam er dann zu mir. Es war so abgespannt und erschöpft. Es tat mir weh, ihn so ansehen zu müssen. Er tat sich schwer damit, Isabells Einflüsterungen als seine eigene Meinung darzulegen. Er wusste genau, was er mir abverlangte. Und er glaubte wohl auch nicht so ganz an das, was sie ihm aufgetischt hatte. Zuerst erkundigte er sich nämlich, ob Jonas sich mir gegenüber nicht ganz korrekt verhalten habe.
«Mia, willst du mir nicht sagen, was zwischen Jonas und dir vorgefallen ist? Du hast dich in den ersten Tagen so gut mit ihm verstanden, und seit zwei Wochen tust du, als sei er der Teufel persönlich.»
«Vielleicht gefällt mir sein Charakter nicht», antwortete ich. Darauf ging Robert nicht ein. Er setzte zu einer umständlichen Erklärung an, dass solch ein Unfall einen Menschen in seiner Persönlichkeit sehr verändern könne. Ihn unzufrieden, mürrisch, vielleicht sogar aggressiv machte. Und damit war er dann beim Thema. Der Steinklotz in der Ecke.
«Ich habe dich in den letzten Tagen so oft auf ihn einschlagen hören», sagte er.
«Meinst du nicht, wir sollten das Ding endlich fortschaffen? Du quälst dich doch nur damit, Mia. Wenn du ihn nicht mehr vor Augen hast, wird es bestimmt leichter für dich. Vielleicht wäre es sogar am besten, wenn du das Atelier aufgibst.»
«Das kann nicht dein Ernst sein», sagte ich. Aber Robert nickte.
«Doch, Mia, es ist mein Ernst. Am besten wäre es, wir lassen den Raum so herrichten, dass Jonas darin leben kann. Er braucht einen Raum zu ebener Erde. Wir waren uns ja schon einmal
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