Robina Krux
begriffen nicht, was Ed riskierte. Sie erahnte es nur aus seinem Mienenspiel, aus dem Ruck des Geräts beim Anfahren, beim Entfernen der Plombe. Ed tat, bediente etwas, das er nicht kannte! „Ed, komm runter!“, schrie sie.
Noch hätte er abspringen können. Er befand sich erst drei, vier Meter über den Köpfen.
Einen Bruchteil von Sekunden traf sie sein Blick. Der Anflug eines Lächelns ging über sein Gesicht. Dann konzentrierte er sich abermals.
Das Ding drehte sich, und dann driftete es langsam dorthin, wo der Affe pendelte.
Als Robina Ed gerufen hatte, waren einige Gesichter zu ihr herumgeschwenkt. Zorn stand darauf auf jemanden, der es wagte, den Mutigen zu stören, der die Rettungsaktion für ein kostbares Lebewesen über- und den Verantwortlichen abgenommen hatte.
Ed ließ die Plattform langsam steigen, das lebendige Perpendikel beruhigte sich allmählich.
Doch das Tier, nervös, sah abwechselnd auf die näher kommende Platte mit dem Menschen darauf und das Kabel empor, so als überlegte es, was zu tun sei.
Ed sprach den Orang-Utan beruhigend an.
Als die Plattform noch etwa vier Meter von dem Affen entfernt war, sprang dieser plötzlich Ed an, klammerte sich angstvoll an ihn und riss ihn um.
Die Menschen unten stöhnten, Robina schrie: „Ed!“
Durch den Aufprall der Körper oder durch eine falsche Schaltbewegung stürzte die Plattform ab. Das heißt, es war kein eigentliches Stürzen, es sah eher aus, als glitte ein Kinderdrachen, der einen allzu kurzen Schwanz besitzt, seitlich zu Boden.
Beim Aufprall wurden Ed und der Affe, der den Menschen immer noch fest umklammert hielt, von der Plattform geschleudert.
Robina erreichte als erste die Unglücksstelle. Der Orang-Utan presste sich an Ed und gab aufgeregt dumpfe Laute von sich.
Ed lag auf dem Rücken, er konnte offenbar nicht sprechen, als hätte es ihm die Luft abgeschlagen.
„So nehmt doch das Vieh weg!“, schrie Robina.
Zwei Männer mühten sich um den Affen, der sich nach einigem Sträuben willig hinwegführen ließ. Die anderen standen betreten um Ed, ratlos.
„Hast du Schmerzen, Ed, sag’!“, rief Robina.
Ed fasste sich offenbar, die Benommenheit wich von ihm. „Im Rücken.“ Das Sprechen bereitete ihm sichtlich Mühe.
Robina wollte den Bruder helfen, sich aufzurichten. Nach einer Weile, während Ed der Schweiß ausbrach und sich seine Kaumuskeln wie harte Knoten aus dem Gesicht hoben, gab sie es auf.
„Es geht nicht, Robi“, sagte er mit einem verzerrten Lächeln.
„Holt doch Hilfe, verdammt noch mal!“, herrschte Robina die Umstehenden an.
Der Dicke fingerte in den Taschen. „Hilfe“, murmelte er.
Robina durfte zugegen sein, wenn Ed aus der Narkose erwachen würde.
Vorher hatte sie der Arzt, ein schnauzbärtiger alter Mann, beiseite genommen und ihr unverblümt unterbreitet, dass Eds Wirbelsäule zunächst keinen Pfifferling mehr wert sei, dass er das dieser Afferei zuzuschreiben habe und überhaupt von Glück reden könne, dass sie ihn wenigstens wieder soweit zusammengeflickt hätten.
Auf Robinas konkrete Frage hin erläuterte er knapp, dass ein Wirbel gesplittert sei und örtliche Verletzungen der Nervenstränge verursacht hätte, was vorläufig – und er bezifferte dieses Vorläufig mit mindestens vier Jahren – eine Regenerierung des Wirbels ausschließe. Sie hätten ihm statt dessen ein Kunstwerk eingebaut, einen Plastwirbel, der allerdings einer schonenden Behandlung bedürfe. Er als Arzt würde Ed dringend empfehlen, die nächsten Jahre unter geringerer Schwerkraft zu verbringen, was ja heutzutage leichter zu verwirklichen sei, als einen Affen festzuhalten, wie das Beispiel treffend zeige.
Robina hatte gespürt, dass der Alte das Bärbeißige nur spielte. Sie hatte ihn angelächelt und er mit einem Auge zurückgeblinzelt. Dann hatte er gelacht, sodass sein überaus antiquierter Schnauzbart an beiden Enden in die Höhe stieg und sich seine Augen zu einem Spalt zusammenschoben.
„Wird schon wieder werden, Kleine, das waghalsige Brüderchen“, hatte er väterlich gemurmelt.
Das Erste, was der Alte vor Eds Bett sagte, als dieser die Augen geöffnet und sich gerade so in die Umgebung hineingefunden hatte: „Na, du Affenfänger, bist du wieder hier, ja?“
Ed gab Robina noch matt, aber sichtlich froh die Hand, dann fragte er: „Wie geht es ihm?“
„Meinst du etwa den Affen?“, fragte der Arzt, und als Ed nickte, fuhr er ihn an: „Hat der Mensch Töne! Selbst arg angeknackst, fragte er
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