Robina Krux
nicht etwa nach seinem Kreuz, sondern nach dem Affen. Dem geht’s gut, ich kann dich beruhigen. Er streckt den Besuchern die Zunge heraus und frisst vergnügt Bananen.“
„Na ja“, sagte Ed ein wenig kleinlaut, „wo er doch so kostbar ist. Er tat mir leid, und er wäre bestimmt abgestürzt.“
„Gefühlsduselei“, brummte der Alte.
Als Ed und Robina protestieren wollten, winkte er ab. „Habt ja Recht – im konkreten Fall. Vielleicht hätte ich auch so gehandelt, aber nur, weil das Tier da oben hing und zitterte. Im Allgemeinen, meine ich, machen wir zuviel Schmus, schaffen uns Probleme, die wir nicht beherrschen. Tierpark, na ja, das Einzige, was da akzeptabel ist. Da sollen sie ihre Viecher züchten und von den Leuten angucken lassen. Aber diese Reservate, die sogenannten Naturparks? Hört mir auf!“
Es war dem Mann unschwer anzumerken, dass er auf eine Gelegenheit gewartet hatte, seine Meinung über dieses Problem los zu werden – ungeachtet der Tatsache, dass Ed gerade erst in die Wirklichkeit fand.
Er sah die erstaunten Gesichter, und er ging näher auf sein Thema ein: „Drei Jahre fast habe ich in Indien, in einem Zentraldorf am Rande eines solchen Gebietes, in einer Arztstation gearbeitet. Vier Mal haben uns Elefanten überfallen. Beim vierten Mal haben sie das Dorf zerwalzt. Wir hatten einen Toten. Und warum? Weil sie mit diesen Reservaten das Gleichgewicht noch mehr stören, als wir es durch unsere bloße Existenz und die damit verbundene Umweltbeeinflussung tun. Wir verlängern die Agonie, jawohl, vielleicht übertreibe ich, aber es ist so. Die Biester, diese Elefanten damals, hatten einfach nicht mehr genug Futter, haben sich vermehrt wie die Feldmäuse.“
„Du übertreibst wirklich“, bemerkte Ed lachend.
„Freilich übertreibe ich“, antwortete der Alte und schmunzelte. „Aber überlege, ob nicht etwas dran ist an dem, was ich sage. Weißt du, worunter dort unten die meisten Menschen noch immer litten? Unter Eiweißmangel, heute, im dreiundzwanzigsten Jahrhundert! Und in den riesigen Tierreservaten – welche verschenkten Möglichkeiten einer intensiven Tierzucht! Damit ein paar von unseren acht Milliarden Menschen mal einen Elefanten in freier Wildbahn sehen, ich bitte dich! Warst du schon mal da? Ein Optimum brauchen wir in unserem Verhältnis zu dem Restchen Natur, das uns geblieben ist, nicht Extreme nebeneinander.“
„Und was würdest du machen?“, fragte Robina.
„Die Tiere, die vom Aussterben bedroht sind, und das sind sehr viele, in Tiergärten züchten, zum Anschauen. Wenn es nicht mehr geht, das heißt, wenn sie sich partout nicht mehr fortpflanzen wollen oder können, dann Filme machen nach allen Regeln der Kunst, und sie so der Nachwelt erhalten. Nun, und wer eben ein solches Vieh unbedingt richtig sehen und anfassen möchte: Man könnte mehr Forschungskapazität einsetzen, die die Genkodesynthese zur Perfektion bringt. Stellt euch vor, ihr behandelt in der Schule die Urfauna Afrikas und der wohlvorbereitete Lehrer führt euch vor, wie aus einer beliebigen, aber künstlich kodierten Zelle ein Löwenbaby entsteht, immer dann, wenn es gebraucht wird, oder ein Krokodil oder was immer du willst. Wir sind da viel zu einfallslos, pressen uns in Korsetts, wo wir frei atmen könnten.
Mein Freund, wenn du dich an das hältst, was ich dir auf den Weg geben werde, können wir in drei Jahren versuchen, deinen Wirbel zu regenerieren. Er ist dann ganz echt. Mit dem, den du jetzt drin hast, kannst du keine großen Sprünge machen. Aber zwei Monate musst du für die Regenerierung einplanen! – Nun, nun, Kind, verabschiedet euch. Dem Affenhascher kann ein wenig Schlaf nichts schaden.“
Damit ging der Alte. Ed und Robina sahen ihm lächelnd nach. „Ein verrückter Kerl“, bemerkte Robina.
„Wer weiß!“ Dann wandte sich Ed der Schwester voll zu und fragte sie nach allerlei Speziellem aus seinem Betrieb.
Erst als Robina im Gleiter saß, der sie nach Hause zurückbrachte, stürzte der Jammer auf sie ein. Und am liebsten hätte sie losgeheult. Sie hatte, so lange der Besuch währte, beinahe selbst an den Trost, den sie ihm geben wollte, geglaubt. Ihr gewollter Optimismus, verbunden mit dem von Ed zur Schau gestellten – und natürlich die hoffnungsvolle Diagnose des Arztes –, hatten die Unfallfolgen leichter erscheinen lassen. Aber es blieb, und jetzt wurde es Robina bewusst, doch ein beträchtliches Maß an Ungewissheit, Sorgen und – Einsamkeit, Einsamkeit vor
Weitere Kostenlose Bücher