Robinas Stunde null
Raumstation, wenn sie sich nicht im Funkschatten der Erde
befand. Im Marsobservatorium hingegen ließ mit der
Veränderung der Positionen der beiden Planeten die Intensität
nach. Aber trotz aufmerksamer Dauerbeobachtung an allen
drei Standorten lag die Nachricht nie wieder an.
Stets wenn Lucie von ihrem Beobachtungsposten ergebnislos
zurückkehrte, ärgerte sie sich und haderte mit dem Refraktor,
der im entscheidenden Augenblick, wie sie meinte, gestreikt
hatte. Möglicherweise hatte man so den eigentlichen Beginn
der Sendung verpasst, und vielleicht wäre sie nicht
verstümmelt gewesen. Ja, gäbe es auf der Erde noch die
Beobachtungen in den Großobservatorien, zum Beispiel dem
auf Fuerteventura, wären alle Signale automatisch gespeichert
worden.
Bei diesem Gedanken seufzte Lucie ergeben, saß einen
Augenblick in sich versunken da und fasste dann plötzlich
einen Entschluss.
Sie saß mit Sophie Merhoff und Emanuel Mendozza beim
Abendessen, Leo Tschernikow hatte sie am Refraktor abgelöst.
„Sophie, was hält dich hier?“, fragte sie.
Die Angesprochene blickte überrascht auf, unterbrach das
Kauen. Sie schluckte dann, zuckte mit den Schultern und
fragte erstaunt zurück: „Was meist du? Unsere Arbeit
natürlich. Eine merkwürdige Frage.“
„Natürlich.“ Lucie befasste sich intensiv mit einer Scheibe
Sülze aus Marsgemüsen. „Aber außer diesen Beobachtungen
sind wir doch alle vier nicht so richtig ausgelastet, oder?“
„Na, na“, brummelte Emanuel und sah von einer der beiden
Frauen zur anderen. Mit der Linken strich er seinen
kohlschwarzen, undressierten Vollbart, was er immer tat, wenn
etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Außer den kleinen
grauen Augen war von seinem Gesicht nichts zu sehen.
„Worauf willst du hinaus?“, fragte Sophie nun bestimmt,
straffte sich und legte betont und geräuschvoll das Messer auf
den Teller.
„Mir lässt die Nachricht keine Ruhe.“ Lucies Ton klang
versöhnlich.
„Und?“ Sophie saß noch immer steif und blickte fordernd auf
die Gefährtin.
Eine Weile war nichts zu hören, außer dem Knistern von
Emanuels Barthaaren.
„Wir müssten in die Archive.“
„Hm.“
„Ich habe mir gedacht – in vier Tagen startet die Fähre – du
könntest… Den Betrieb hier schaffen wir drei. Mark hätte
nichts dagegen.“
„Ich!“, sagte Sophie betont, doch sie lächelte leicht. „Mit
dem Chef hast du also auch schon gesprochen. Fein, dass er
nichts dagegen hat.“ Ihr Tonfall nahm eine spöttische Nuance
an.
„Was ist, machst du’s?“
Sophie guckte mit den Schultern, blickte zu Manuel.
Mechanisch glitten dessen gekrümmte Finger durch den Bart.
„Warum nicht? Du bist der Boss. Eine Abwechslung kann
außerdem nicht schaden.“ Man hörte nicht heraus, wie ernst sie
das Zugeständnis meinte.
„Und wenn ich etwas dagegen hätte?“, fragte Manuel.
„Sie ist nicht aus der Welt“, sagte Lucie an ihn gewandt. „Es
war schon immer das Risiko der See- und Raumfahrer, für
längere Zeit von ihren Partnern getrennt zu sein.“
„Und warum schickst du nicht Leo? So selbstlos bist du also
nicht.“
„Manuel, Leo ist der einzige Elektroniker, den wir hier für
die fünf Stationen noch haben. Willst du, dass eines Tages
alles lahm liegt?“
„Und wenn wir beide zusammen…?“
„Lass, Manu!“, mischte sich Sophie in den Disput. „Drei
müsst ihr hier schon sein. Ich mache es, wir werden es
überstehen! Eine Ingenieurin könnt ihr am leichtesten
entbehren, das ist so. Es werden ja nicht gleich wieder die
japanischen Kunststoffräder den Geist aufgeben.“ Sie lächelte.
„Ich danke dir“, sagte Lucie. „Es wird nicht leicht werden“,
fügte sie leise hinzu. „Das erste Mal, dass einer von uns wieder
dort sein wird. Es ist längst nicht alles – beräumt.“ Sie betonte
das Wort ,alles’ mit einem vielsagenden Blick. –
4. Teil
1
,So hat man wohl früher hochgestellte Persönlichkeiten… nein,
beliebte Stars empfangen’, dachte Sophie als sie als einziger
Passagier die Marsfähre verließ und aufs Höchste überrascht
ins Spalier der wahrscheinlich zu hundert Prozent
versammelten Mannschaft der Orbitalbasis trat.
Ray Murlog trat ihr mit einem Strauß echter Gerbera
entgegen, und Sophie dachte, ,wo, zum Teufel, mochte er diese
wohl aufgetrieben haben?’ Doch dann überfiel sie Wehmut als
sie überlegte, wo die Ursache für diese neue Herzlichkeit
liegen mochte – daran, dass es heutigentags ein Ereignis war,
wenn ein neuer Überlebender zur
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