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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Integration entgegenstand, den Hunger, zu
beseitigen. Obwohl der Überfall auch Warnung bedeutete, dass
man sich nicht selbst entwaffnen sollte, blieben die Mittel, die
in eine moderate Rüstung flossen, gering. Es boomte
insbesondere der vernünftige technische Fortschritt.
Mit dem Hunger schwanden Terror und Krieg. Natürlich gab
es auch genügend gravierende Probleme. Die Macht des
Geldes verhalf zur Hegemonie des mutierten Übermenschen.
Jene, die die soziale Schere immer weiter öffneten, isolierten
sich oder wurden isoliert, und zwar in dem Maße, in dem die
Automatisierung des Alltags zunahm. Natürlich gab es
Krawalle, insbesondere in den Ländern, die sich im Laufe ihrer
Entwicklung zerdemokratisiert hatten.“ Sarah lächelte ein
wenig, sah Robina ins Gesicht, in dem sich jedoch kein Muskel
regte. „Ich meine die Staaten, in denen selbst kleine
Grüppchen von Querdenkenden und Lobbyisten vernünftigen
Fortschritt verzögern, wenn nicht gar verhindern konnten.
Aber was rede ich. Es ist, wie man so sagt, Schnee von gestern.
Ich erzähle das nur, weil im Zuge der Monopolisierung sich
gegen alle warnenden Stimmen eine dieser global operierenden
Gruppen durchgesetzt hat, und zwar mit dem HAARP-Projekt,
dem High Frequency Active Auroral Research Program. Aber,
halt, das kennst du doch! Neunzehnhundertfünfundneunzig
wurde ja die erste Großanlage auf Alaska erfolgreich getestet.
Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts sendete man
damit mit einer Energie von dreikommasechs Millionen Watt
Radiowellen in die Ionosphäre. Danach hatten sich die Gegner
des Projekts durchgesetzt und es wurde wegen der unwägbaren
Gefährlichkeit nicht weiter verfolgt. Man hatte
herausgefunden, dass die in der Ionosphäre angeregte
Rückstrahlung der Frequenz menschlicher Hirnströme
entsprach.“
„Ich erinnere mich, davon gehört zu haben“, hauchte Robina.
Es klang eher wie ein Seufzer.
„Nun“, Sarahs Rede nahm einen sarkastischen Tonfall an,
„man hat nach zweitausendzweihundert die Forschungen
wieder aufgenommen, und konnte alsbald eine
Abstrahlleistung von zehn Milliarden Watt erzielen. Am
fünfundzwanzigsten September zweitausendzweihundertfünfundfünfzig hat man von drei Standorten der Erde aus
korrespondierend Radiowellen mit einer Leistung je
Antennenfeld von wahrscheinlich über dreißig Milliarden Watt
– die genaue Untersuchung steht noch aus – in die Ionosphäre
gejagt. Die allerletzte so genannte Großtat der Menschheit.
Überlebt haben nur jene, die sich zum Zeitpunkt der tödlichen
Rückstrahlung aus der Ionosphäre nicht auf der Erde, in
Bergwerken, Höhlen oder in den unterseeischen Stationen
befunden hatten – vielleicht durch glückliche Umstände noch
andere, wie viele, wissen wir nicht. Ab und an tauchen
Einzelne oder Gruppen auf, werden entdeckt…“ Sarah
schwieg.
Lange saßen die beiden Frauen eng nebeneinander. Über
Robinas unbewegtes Gesicht rollten Tränen. Später bettete sie
es in ihre Hände und verharrte zusammengekauert.
„Trotzdem, Robina“, tröstete Sarah leise, „die Menschen
schaffen das, wir schaffen das, und wir haben die Chance, es
besser zu machen!“
Robina schluchzte auf. „Wer, meinst du, soll auf der kaputten
Erde schon etwas schaffen“, sagte sie resigniert.
„Die Erde, Robina, ist nicht kaputt. Ihre Kaputtmacher sind
kaputt. Diese Niederfrequenzwellen haben mit ganz geringen
Ausnahmen nur die menschlichen Hirne gelöscht. Es ist, als
hätte die Erde aufgeatmet, sich befreit von einer riesigen Last.
In den fast vier Jahren nach der Katastrophe, man glaubt es
kaum, ist die Natur gleichsam neu erblüht, hat Wunden geheilt,
Narben kaschiert, sich viel von dem wieder geholt, was ihr
entrissen wurde. Du wirst staunen!“
„Ja, ich werde staunen… Und ich werde wohl keinen von den
Menschen wiedersehen, die mir lieb sind.“
Sarah schwieg eine Weile. „Es wäre ein großer Zufall“, sagte
sie dann leise. –
8. Teil
1
    Die folgenden Tage verbrachte Robina zwischen depressiven
Wachen und Alpträumen. Öfter glaubte sie, sich wieder in der
Gefangenschaft des Boliden, in ihrer engen Behausung zu
befinden, und mehrmals hatte sie das Bedürfnis, nach der Box
mit den kleinen Kügelchen zu greifen, die das Leben so leicht
und den Schrecken weniger schmerzlich machten.
    Sie aß kaum, hielt sich von den Menschen fern, schloss sich
sogar ein und vernachlässigte sich und ihr unmittelbares
Umfeld.
    Mangelhaft bekleidet saß sie stundenlang vor dem Bullauge
und starrte in

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