Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
gesehen hatte.
Dies verdroß mich sehr, denn ich sah voraus, daß binnen wenigen Tagen meine ganze Hoffnung zu nichte sein, sowie daß ich es niemals bis zu einer ordentlichen Ernte bringen und später in Mangel geraten würde. Daher beschloß ich mein Korn, wenn möglich, zu retten, und wenn ich es auch Tag und Nacht bewachen sollte. Zuerst untersuchte ich den schon angerichteten Schaden und fand, daß die Vögel eine Menge Körner bereits gefressen hatten. Da diese aber noch zu grün waren, belief sich der Verlust nicht sehr hoch, und wenn ich den Rest rettete, so konnte die Ernte wohl immer noch eine gute werden.
Während ich bei dieser Gelegenheit, neben dem Feld stehend, mein Gewehr lud, sah ich die Diebe rings auf allen Bäumen sitzen, als ob sie nur auf mein Weggehen warteten. Deshalb tat ich, als ob ich mich entfernen wollte, und kaum war ich ihnen aus dem Gesicht gekommen, als sie auch schon, einer nach dem anderen, wieder ins Korn fielen. Das reizte mich so, daß ich nicht Geduld hatte zu warten, bis sich noch mehre eingefunden haben würden. Ich wußte, daß jedes Korn, das sie jetzt fraßen, mich sozusagen um eine zukünftige Metze bringe. Daher schlich ich mich an die Hecke und tötete diesmal drei. Das war auch für meinen Zweck vorläufig genug. Ich machte es mit den Erlegten, wie man es in England mit ausgezeichneten Dieben macht: ich hing sie nämlich, zum abschreckenden Exempel für die anderen, auf. Man sollte kaum denken, daß dies eine solche Wirkung hätte haben können, wie es in der Tat der Fall war. Denn die Vögel blieben von nun an nicht nur von meinem Korn weg, sondern zogen sich auch sehr bald ganz aus dieser Gegend der Insel weg, und ich habe, so lange die Vogelscheuchen hingen, niemals wieder einen der gefiederten Diebe in der Nähe meines Feldes bemerkt. Wie man denken kann, war ich sehr erfreut darüber; gegen Ende des Dezember, in der zweiten Herbstzeit des Jahres, heimste ich dann mein Korn ein.
Da mir bei dieser Arbeit der Mangel einer Sense oder Sichel sehr fühlbar wurde, blieb mir nichts Anderes übrig, als mir, so gut es ging, eine solche aus einem der breiten Säbel, die ich unter den Waffen aus dem Schiffe gerettet hatte, anzufertigen. Übrigens war meine erste Ernte nur mäßig, und das Schneiden derselben machte mir daher keine große Mühe. Ich vollzog es auf meine besondere Weise, indem ich nur die Ähren abschnitt und sie in einem großen Korb, den ich mir geflochten, heimbrachte. Dann entkörnte ich sie mit den Händen und gewann dabei nach meinem Überschlag (denn ich mußte nach dem bloßen Auge schätzen, da ich kein Maß hatte) nur etwa zwei Scheffel Reis und über zwei und einen halben Scheffel Gerste.
Trotzdem diente diese Ernte mir zu großer Ermutigung, da ich hoffte, mir nun mit Gottes Hilfe in Zukunft auch Brot verschaffen zu können. Dabei zeigten sich aber neue Schwierigkeiten. Ich wußte nämlich weder, wie ich das Korn zerquetschen und Mehl daraus bereiten, noch wie ich dieses von der Kleie reinigen solle, und ebensowenig wie ich dann aus dem Mehl Brotteig gewinnen und diesen backen könne. Diese Zweifel vereint mit dem Wunsche, einen reichlichen Vorrat zu besitzen, um für meinen künftigen Unterhalt Sorge zu tragen, veranlagten mich, die jetzige Ernte noch nicht anzugreifen, sondern sie abermals ganz zur Aussaat aufzubewahren. Inzwischen nahm ich mir vor, all mein Nachdenken und meine ganze Tätigkeit auf das große Werk der Brotbereitung zu verwenden.
Jetzt konnte ich mit Wahrheit sagen, daß ich für mein tägliches Brot arbeite. Es ist fast wundersam, und wenige Menschen haben wohl je darüber nachgedacht, wie viel Dinge notwendig sind, um nur den einen Artikel Brot bis zur Vollendung zu bringen. Mir aber, der ich im nackten Zustand der Natur lebte, kam dies, seit ich die erste Handvoll Korn gewonnen, in entmutigender Weise zu täglich klarerem Bewußtsein.
Zunächst hatte ich weder einen Pflug, die Erde zu ackern, noch einen Spaten, sie umzugraben. Diesem Mangel half ich jedoch, wie erzählt, ab, indem ich mir einen hölzernen Spaten machte. Allein mit diesem ging die Arbeit eben auch nur in hölzerner Manier von Statten, und wiewohl seine Anfertigung mich manchen Tag gekostet hatte, nutzte er sich, weil er keinen eisernen Beschlag hatte, rasch ab, und ich brachte die Arbeit mit ihm auch nur ungenügend zu Stande. Indes schickte ich mich auch hierein mit Geduld.
Sodann, als das Korn gesäet war, fehlte es mir an einer Egge. Ich half mir, indem
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