Robocalypse: Roman (German Edition)
die Maschine die Arme zusammen und fällt mit dem Schloss zwischen den Klauen zu Boden. Nur ein gezacktes Loch bleibt an der Stelle von Türknauf und Schloss in der Tür zurück. Ich kann meine Arme kaum noch bewegen, so erschöpft sind sie von der Anstrengung. Der Big Happy ist jetzt keine zwei Meter mehr entfernt und öffnet schon die drei Finger seiner ausgestreckten Hand, um mich damit zu packen.
Mit einem kräftigen Tritt stoße ich die geknackte Tür auf.
Auf der anderen Seite werde ich aus verstörten Augen angestarrt. Der Schlafsaal ist voll mit alten Frauen und Kindern. Hölzerne Etagenbetten ragen bis zur Decke.
Ich werfe schnell die Tür zu und stemme den Rücken dagegen. Der Big Happy versucht, sie aufzudrücken. Doch zum Glück ist der polierte Betonboden so rutschig, dass er mit seinen Füßen nicht genug Halt findet.
»Mathilda!«, rufe ich. »Nolan!«
Die Leute verharren auf ihren Plätzen und beobachten mich. Die Maschinen kennen meine Identifizierungsnummer. Sie können mich überall aufspüren und werden erst Ruhe geben, wenn ich tot bin. Eine weitere Chance, meine Familie zu retten, werde ich nicht haben.
Und plötzlich steht er da. Mein stiller kleiner Engel. In einigen Metern Entfernung ist Nolan mitten in den Gang getreten, seine schwarzen Haare sind zerwühlt und schmutzig. »Nolan«, rufe ich. Als er zu mir gerannt kommt, hebe ich ihn hoch und drücke ihn an mich. Die Tür stößt mir in den Rücken, die Maschine gibt nicht auf. Weitere sind bestimmt schon unterwegs.
Ich setze Nolan auf den Boden und nehme sein zartes kleines Gesicht in die Hände. »Wo ist deine Schwester, Nolan?«, frage ich ihn. »Wo ist Mathilda?«
»Sie haben ihr weh getan. Nachdem du weg bist.«
Ich schlucke meine Angst runter, um Nolans willen. »O nein, Baby, das tut mir leid. Wo ist sie? Führ mich zu ihr.«
Nolan sagt nichts. Er zeigt nur mit ausgestrecktem Arm in den Raum hinein.
Mit Nolan auf der Hüfte dränge ich mich durch die Menschen und eile durch einen Korridor zur Krankenstation. Hinter mir stemmen sich ein paar alte Frauen wie selbstverständlich gegen die klappernde Tür. Ich habe keine Zeit, ihnen zu danken, doch ich werde ihre Gesichter im Gedächtnis behalten. Ich werde für sie beten.
Ich war noch nie in diesem langen, holzverkleideten Raum. Vor mir liegt ein schmaler, zu beiden Seiten von Vorhängen gesäumter Mittelgang. Während ich eilig links und rechts die Vorhänge aufreiße, haste ich weiter. Hinter jedem Vorhang wartet ein neues Grauen, doch mein Hirn registriert nichts davon. Es gibt nur noch eins, was ich erkennen kann. Ein schmales Gesicht.
Und dann sehe ich sie.
Mein Schatz liegt auf einer fahrbaren Trage, und über Mathildas Kopf schwebt ein Monster. Es ist irgendeine Art von chirurgischem Apparat, der an einen Stahlarm montiert ist und von dem ein Dutzend Plastikbeine abgehen. Sämtliche Beine sind in keimfreie Tücher gewickelt und münden vorne in die verschiedensten Instrumente: Skalpelle, Haken, Lötkolben. Das Ding bewegt seine Gliedmaßen so schnell, dass sie verschwimmen. Präzise, ruckartige Bewegungen – wie eine Spinne, die im Zeitraffertempo ein Netz webt. Die Maschine macht sich über Mathildas Gesicht her und scheint nichts um sich herum wahrzunehmen.
»Nein!«, kreische ich. Ich setze Nolan ab, packe die Maschine und ziehe sie mit aller Kraft vom Kopf meiner Tochter weg. Verwirrt streckt der Apparat die Arme in die Höhe. Genau in dem Moment stoße ich die Trage mit dem Fuß zur Seite. Die Wunde in meinem Bein bricht wieder auf, und ich spüre Blut über meine Wade rinnen.
Der Big Happy muss gleich hier sein.
Ich beuge mich über die Bahre und betrachte meine Tochter. Etwas Schreckliches ist passiert. Ihre Augen. Ihre wunderschönen Augen sind weg.
»Mathilda?«, frage ich.
»Mom?«, sagt sie lächelnd.
»Oh, Baby, bist du in Ordnung?«
»Ja, ich glaub schon«, erwidert sie und runzelt die Stirn über den besorgten Ausdruck in meinem Gesicht. »Meine Augen fühlen sich komisch an. Was ist damit?« Mit zitternden Fingern berührt sie das stumpfe schwarze Metall, das jetzt in ihren Augenhöhlen sitzt.
»Bist du in Ordnung, Liebling? Kannst du etwas sehen?«, will ich wissen.
»Ja, kann ich. Ich kann reinsehen«, antwortet Mathilda.
Ein ungutes Gefühl macht sich in meinem Bauch breit. Ich komme zu spät. Sie haben meiner Kleinen schon weh getan.
»Wo kannst du reinsehen, Mathilda?«
»In die Maschinen«, gibt sie zurück. »Ich kann in die
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