Robocalypse: Roman (German Edition)
überleben.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
Z u Hause in Oklahoma hat mir mein Dad immer gesagt, wenn ich mich nicht zusammenreiße und wie ein Mann benehme, werde ich eines Tages im Knast oder unter der Erde landen. Lonnie Wayne hatte schon recht mit dem, was er sagte, deswegen bin ich ja auch zur Army gegangen. Trotzdem danke ich Gott, dass ich mich zur Stunde null im Kittchen befand und nicht irgendwo anders.
Ich sitze also in meiner Koje, den Rücken an der kalten Backsteinwand, die Kampfstiefel auf dem Stahlklo abgelegt. Hab mir ein Tuch über Mund und Nase gebunden, damit ich weniger Staub einatme. Der SIB, auf den ich eigentlich hatte aufpassen sollen, ist Amok gelaufen und hat jede Menge Leute abgeballert. Deswegen hocke ich jetzt hier und darf auf meinen Prozess warten.
C’est la vie. Meint jedenfalls mein Zellengenosse, ein stattlicher junger Asiate namens Jason Lee. Er macht Sit-ups auf dem Zementboden. Sagt, er mache es, um sich warm zu halten.
Ich halte nicht viel von sportlicher Betätigung. Ich hab die letzten sechs Monate hauptsächlich damit verbracht, jede Menge Illustrierte zu lesen. Sich warm zu halten ist schön und gut, aber dazu reicht auch der Bart, den ich mir hab wachsen lassen.
Ein bisschen langweilig ist mir natürlich schon, aber trotzdem: Mein Tag läuft bisher gar nicht so schlecht. Ich blättere in der vier Monate alten Ausgabe irgendeines Klatschblatts aus der alten Heimat und bekomme die wichtige Neuigkeit mitgeteilt, dass Filmstars auch nur Menschen »wie du und ich« sind. Sie gehen gerne essen, einkaufen und mit ihren Kindern im Park spielen – so ganz normalen Kram halt.
Genau wie du und ich, klar. Nur kann ich mit diesem du und ich wohl kaum gemeint sein.
Ist nur ’ne Vermutung, aber ich hab so meine Zweifel, dass Filmstars besonders gerne ihren Tag mit der Reparatur humanoider Militärroboter verbringen, die stinkwütende Einheimische in einem besetzten Land unter Kontrolle halten sollen. Und in ’ne scheißenge Zelle mit ’nem winzigen Fenster geworfen zu werden, nur weil sie ihre verdammte Arbeit getan haben, würde ihnen wahrscheinlich auch nicht besonders gefallen.
»Bruce Lee?«, frage ich. Er hasst es, wenn ich ihn so nenne. »Wusstest du, dass Filmstars genauso sind wie du und ich? Wer hätte das gedacht, Alter?«
Jason Lee hört mit den Sit-ups auf. Die Hände immer noch hinterm Kopf verschränkt, sieht er mich aufmerksam an. »Sei mal ruhig«, sagt er. »Hörst du das?«
»Was meinst du?«
Und dann schlägt plötzlich ein Panzergeschoss durch die Wand hinter den Gitterstäben. Jason Lee wird von einer großen Wolke Staub und Zement fortgeschleudert, und im nächsten Moment ist der gesamte Zellenboden mit in beigefarbene Fetzen gehüllten Fleischbrocken bedeckt. Eben war Jason noch da, jetzt ist er weg. Kommt mir wie ein seltsamer Zaubertrick vor, den ich nicht kapiere.
Ich kauere in der Ecke – wie durch ein Wunder unverletzt. Der diensthabende Offizier sitzt nicht mehr an seinem Schreibtisch. Da ist kein Schreibtisch mehr. Nur Schutt und Trümmer. Für den Bruchteil einer Sekunde kann ich durch das neue Loch im Arrestgebäude nach draußen sehen.
Dort fahren, wie ich mir gedacht habe, Panzer herum.
Eine eisige Wolke Staub weht herein, und ich fange an zu zittern. Jason Lee hatte recht, da draußen ist es wirklich arschkalt. Mir fällt auf, dass trotz der nicht unbedeutenden Renovierungsmaßnahme, die am Arrestgebäude vorgenommen wurde, die Gitterstäbe noch genauso fest dastehen wie vorher.
Langsam erholt sich mein Gehör. Die Sicht ist gleich null, aber ich kann ein sanftes Plätschern hören, wie von einem winzigen Bach. Es kommt von dem, was von Jason Lee übrig ist – und allmählich ausblutet.
Auch kann ich meine Zeitschrift nirgendwo mehr entdecken.
Mist.
Ich presse mein Gesicht gegen das zusätzlich mit Maschendraht gesicherte Fenster der Zelle. Draußen geht alles drunter und drüber. Vor mir liegt die breite Straße, die zum Hauptgebäude von Kabuls Grüner Zone führt. Hinter einer Lehmmauer hocken zwei unserer Leute. Sie stecken in voller Montur: Rucksack, gepanzerte Weste, Schutzbrille, Knieschützer – der ganze Scheiß.
Als ob man mit Schutzbrillen einen Krieg gewinnen könnte.
Der Anführer des Duos späht vorsichtig um die Ecke. Dann krabbelt er aufgeregt zu seinem Kameraden zurück. Mit geübten, raschen Bewegungen macht er einen Javelin-Raketenwerfer abschussbereit. In dem Moment kreuzt einer unserer Panzer die Straße
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