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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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den nötigen Wi-
    derstand leisten zu können. Die Antriebsschrauben am
    Bug und am Heck sah man gar nicht mehr sich drehen; sie
    pfiffen nur mit scharfem, durchdringendem Ton durch die
    Luft.
    Die letzte, vom Bord aus gesehene Stadt war Astrachan
    gewesen, das ziemlich am nördlichsten Ende des Kaspi-Sees
    lag.Der Stern der Wüste – jedenfalls hat ein russischer Dich-
    ter es so genannt – ist jetzt von der ersten Größe zur fünf-
    ten oder sechsten zurückgegangen. Dieser sehr einfache
    Hauptort des Gouvernements hatte einen Augenblick seine
    alten, mit unnützen Zinnen gekrönten Mauern gezeigt,
    ebenso wie seine alten Türme in der Mitte der Stadt, seine
    an Kirchen in modernem Stil angrenzenden Moscheen,
    seine Kathedrale mit fünf vergoldeten und mit blauen Ster-
    nen übersäten Kuppeln, die einem ausgeschnittenen Stück
    Firmament glichen – das Ganze fast im Niveau der hier
    2 Kilometer breiten Wolgamündung.
    Von diesem Punkt aus war der Flug der ›Albatros‹ schon
    mehr eine Art Ritt durch die Höhen des Himmels, als würde
    sie von fabelhaften Hippogryphen fortgetragen, die mit je-
    dem Flügelschlag eine Meile zurücklegen.
    Es war am 4. Juli gegen 10 Uhr morgens, als der Aeronef,
    etwa dem Tal der Wolga folgend, nach Nordwesten weiter-
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    steuerte. An beiden Stromufern hin dehnten sich die Step-
    pen des Don und des Ural. Wäre es möglich gewesen, ei-
    nen Blick auf diese ungeheuren Gebiete zu werfen, so hätte
    man die Städte und Dörfer darin kaum zählen können. Am
    Abend endlich zog der Aeronef über Moskau weg, ohne die
    auf dem Kreml flatternde Flagge zu salutieren. Binnen 10
    Stunden hatte er die 2.000 Kilometer, die Astrachan von der
    Hauptstadt aller Russen trennen, zurückgelegt.
    Von Moskau nach Petersburg ist die Eisenbahnlinie
    nicht länger als 1.200 Kilometer, konnte also mehr Zeit als
    einen halben Tag nicht beanspruchen. So erreichte denn
    auch die ›Albatros‹ mit der Pünktlichkeit eines Expreßzugs
    Petersburg und die Ufer der Newa gegen 2 Uhr morgens.
    Die Helligkeit der Nacht, in der in so hoher Breite die Sonne
    nicht tief unter dem Horizont niedertaucht, gestattete einen
    Augenblick, das Gesamtbild dieser großen Stadt zu über-
    schauen.
    Nachher folgte der finnische Meerbusen, das Inselge-
    wirr von Abo, die Ostsee, Schweden in der Breite von Stock-
    holm, Norwegen in der von Christiania – 2.000 Kilometer
    in nur 10 Stunden! Wahrlich, man hätte glauben können,
    daß keine menschliche Macht fernerhin imstande wäre, die
    Geschwindigkeit der ›Albatros‹ zu hemmen, als ob die Re-
    sultante ihrer Treibkraft und der Anziehung der Erde sie in
    unveränderlichem Kreislauf um die Erde gefesselt hielte.
    Danach unterbrach sie ihren Lauf, und zwar genau über
    dem berühmten Wasserfall des Rjukanfos in Norwegen. Der
    Gusta, dessen Gipfel diesen herrlichen Teil von Telemarken
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    beherrscht, erschien wie ein riesiger Grenzwall, den sie nach
    Westen nicht überschreiten durfte.
    Von hier aus näherte sich die ›Albatros‹ auch, ohne Ver-
    minderung ihrer Geschwindigkeit, wieder mehr dem Erd-
    boden.
    Und was begann wohl Frycollin während dieser Fahrt
    ohnegleichen?
    Frycollin blieb stumm in seiner Kabine und schlief, mit
    Ausnahme der Zeit, wo gegessen wurde, so gut er konnte.
    François Tapage leistete ihm dann Gesellschaft und er-
    götzte sich weidlich an seiner ewigen Angst.
    »He, he, mein Junge«, sagte er. »Du heulst ja gar nicht
    mehr? Brauchst dich gar nicht zu genieren! ... Mit 2 Stun-
    den Aufgehängtsein ist alles quitt gemacht! ... He, bei der
    Schnelligkeit, mit der wir jetzt fahren, müßte das ein vor-
    treffliches Luftbad gegen den Rheumatismus abgeben!«
    »Mir kommt es vor, als ob alles in kurze und kleine Stü-
    cke ginge«, antwortete Frycollin.
    »Das ist wohl möglich, mein wackerer Frycollin; aber
    wir fliegen so schnell dahin, daß wir gar nicht mehr fallen
    könnten. Das ist doch auch eine Beruhigung.«
    »Glauben Sie?«
    »Bei meiner Gascogner-Ehre!«
    Um die Wahrheit zu sagen und nicht zu übertreiben, wie
    François Tapage, so lag die Sache so, daß die Arbeit der Auf-
    triebsschrauben infolge jener ungeheuren Geschwindigkeit
    jetzt ein wenig vermindert war, der Aeronef glitt auf den
    Luftschichten etwa hin, wie eine Congrèvesche Rakete.
    — 183 —
    »Und das wird noch lange so fortdauern?« fragte Fry-
    collin.
    »Lange? ... O nein!« antwortete der Koch, »nur das ganze
    Leben lang.«
    »Ach!« seufzte der

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