Robur der Sieger
man sich
überall von den unerwarteten, lärmenden Zwischenfällen
der Sitzung des letzten Abends. Ein Eindringling, der In-
genieur zu sein angab, ein Ingenieur, der den an sich un-
wahrscheinlichen Namen Robur – Robur der Sieger! – füh-
ren wollte, eine Persönlichkeit von unbekannter Herkunft
und namenloser Nationalität hatte sich unerwartet im Sit-
zungssaal vorgestellt, die Ballonisten mit gröblichen Re-
den beleidigt, diejenigen, die der Lenkbarkeit von Aeros-
taten huldigten, verspottet, und hatte dagegen die Vorzüge
von spezifisch schwereren Apparaten gepriesen, ein verächt-
liches Hohnlachen unter dem wildesten Getöse aufgeschla-
gen und zu Drohungen geradezu herausgefordert, um diese
seinen Gegnern wieder als Antwort ins Gesicht zu schleu-
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dern. Endlich war er, nachdem er den Rednerstuhl unter
dem Knattern von Revolvern geräumt hatte, verschwunden,
und trotz aller Nachforschungen hatte man keine weiteren
Spuren von ihm entdeckt.
Natürlich waren solche Vorfälle dazu angetan, alle Zun-
gen zu wetzen und der Phantasie ein weites Feld zu eröff-
nen. Daran sollte es denn auch weder in Philadelphia, noch
in den 36 anderen Staaten der Union fehlen, ja eigentlich
wurde sogar die Alte Welt dadurch nicht minder erregt, wie
die Neue Welt.
Wie mußte sich diese allgemeine Aufregung aber noch
steigern, als es am Abend des 13. Juni stadtkundig wurde,
daß weder der Vorsitzende, noch der Schriftführer des Wel-
don-Instituts bis dahin in ihre Wohnungen zurückgekehrt
waren, und hierbei handelte es um zwei geachtete, gelehrte
Männer von verhältnismäßig hoher Stellung. Am Vorabend
noch hatten sie den Sitzungssaal verlassen als Bürger, die
ruhig nach ihrem Heim zurückzukehren denken, als Ha-
gestolze, deren Nachhausekunft kein mürrisch gerunzeltes
Gesicht verbittert hätte. Sollten sie vielleicht gar absichtlich
verschwunden sein? Nein; mindestens hatten sie nichts ge-
äußert, was zu diesem Glauben hätte verführen können; ja,
es war sogar besprochen worden, daß sie schon am nächsten
Tag wieder nach dem Büro des Clubs kommen und die ge-
wohnten Plätze des Vorsitzenden und Schriftführers bei ei-
ner außerordentlichen Sitzung einnehmen sollten, die man
zur weiteren Besprechung der Vorfälle des letzten Abends
bestimmt hatte.
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Doch nicht nur jene beiden weitbekannten Persönlich-
keiten des Staates Pennsylvania waren spurlos verschwun-
den, auch von dem Diener Frycollin kam keinerlei Nach-
richt, auch er war ebensowenig zu finden, wie sein Herr.
Wahrlich, seit Toussaint Louverture, Faustin Soulouque und
Dessaline hatte noch kein Neger so viel von sich reden ge-
macht. Er stand im Begriff, einen hervorragenden Platz so-
wohl unter seinen dienenden Kollegen in Philadelphia, wie
unter allen jenen Originalen einzunehmen, die irgendeine
Exzentrizität in dem schönen Amerika schon in helleres
Licht zu setzen hinreicht.
Auch am folgenden Tag nichts Neues. Weder die beiden
Kollegen, noch Frycollin erschienen wieder. Ernste Beunru-
higung. Beginnende Aufregung. Vor den Post and Telegraph
offices starke Ansammlung von Neugierigen, um etwaige
Nachrichten noch ganz warm zu erhalten.
Vergebliche Liebesmühe.
Und doch hatten so viele deutlich genug gesehen, wie
beide in lebhaftem Gespräch aus dem Weldon-Institut
weggingen, den sie erwartenden Frycollin mitnahmen und
nachher die Walnut Street hinabwanderten, um sich dem
Fairmont Park zuzuwenden.
Jem Cip, der Vegetarier, hatte dem Präsidenten noch die
rechte Hand gedrückt und sich verabschiedet mit den Wor-
ten:»Bis morgen also!«
Und William T. Forbes, der Fabrikant von Zucker aus
Leinwand, rühmte sich eines vertraulichen Handschlags
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von Phil Evans, der ihm zweimal »Auf Wiedersehen!« zu-
gerufen hatte.
Miss Doll und Miss Mat Forbes, die ein Band reinster
Freundschaft an Onkel Prudent band, konnten sich über
sein Verschwinden gar nicht beruhigen und schwatzten,
nur um von ihm immer etwas zu hören, eher noch mehr,
als gewöhnlich.
So verstrichen 3, 4, 5, 6 Tage, eine Woche, eine zweite
Woche ... Weder irgendwer, noch irgendwas leitete auf die
Fährte der drei Verschwundenen.
Und doch hatte man die sorgsamsten Nachforschungen
im ganzen Stadtviertel angestellt ... vergeblich; in allen nach
dem Hafen zu führenden Straßen ... nutzlos; weiter im Park
selbst, unter den Gruppen größerer Bäume und dichterer
Gebüsche ... erfolglos! ...
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