Rockoholic
Hauses kommt. Ich warte. Er klopft.
Er steht betreten da, als ich die Tür öffne. Sein Haar sieht aus wie eine Amsel, die gegen die Windschutzscheibe geklatscht ist, aber wenigstens trägt er Klamotten, Opas Smoking, bis zur Unkenntlichkeit verschmuddelt und zerrissen.
»Ich würd gern mal duschen. Bitte.«
»Okay«, sage ich und versuche meine Ãberraschung zu verbergen, nicht zuletzt weil er zum ersten Mal âºbitteâ¹ gesagt hat. Er hat zwar noch nie âºdankeâ¹ gesagt, aber diesen Gedanken schiebe ich erst mal beiseite. »Das Badezimmer ist gleich oben an der Treppe. Handtücher liegen in den Korbschubladen.«
Er nickt und geht an mir vorbei. Ich kann mich auf nichts konzentrieren, während er im Haus ist. Eine grässliche Schrecksekunde lang muss ich an die Rasierklingen im Badschrank denken, als ich von oben ein lautes Rumsen höre. Sofort stelle ich mir vor, dass er da oben auf dem Linoleum in einer Blutlache liegt. Dann höre ich das Schnappen der Badezimmerverriegelung und kurze Zeit später steht er vor mir in der Küche â mit unverletzten Handgelenken und eingehüllt in Opas marineblauen Morgenmantel.
»Alles klar?«, frage ich ihn.
Er nickt und zeigt auf den Morgenmantel. »Den habe ich in einer der Schubladen gefunden.«
»Ja, ist okay«, sage ich. Ein weiteres Stück von Opa, das Mums Ausmist-Aktion entgangen ist. Ich bin erstaunt. Ich zeige auf die Frühstücksbar, wo Mums selbst gebackener Möhrenkuchen auf einem gemusterten Teller steht.
»Willst du was davon?«
»Ist der mit Klumpen? Ich ess keine Klumpen.«
»Nee, sind keine Klumpen drin.«
Er zieht sich auf einen der Hocker hoch. Das Duschen hat ihm nicht gerade mehr Leben eingehaucht. Sein Gesicht ist immer noch so weià wie Porzellan und klamm und sein strähniges, feuchtes Haar sieht immer noch dreckig aus. Ich kann es riechen. Es riecht noch immer nach Zigarettenqualm, bloà nach feuchtem Zigarettenqualm. Er isst ein Stück Möhrenkuchen.
»Der ist nicht schlecht«, sagt er, ohne mich anzusehen. Nach einer Schweigepause, in der ich nur das matschige Schmatzen in seinem Mund und das Schlucken in seiner Kehle höre, holt er ein kleines Papierknäuel aus der Tasche des Morgenmantels. »Das war hier alles drin.« Ich erkenne es sofort wieder und nehme ihm das Knäuel aus der Hand.
Ich streiche die Seiten glatt. »Das sind so kleine Spiele, die mein Opa und ich früher immer gespielt haben. Nachts, wenn keiner von uns beiden schlafen konnte. Manchmal sind wir hierher in die Küche geschlichen, haben uns einen Kakao gemacht und dann was gespielt. Galgenmännchen; Stadt, Land, Fluss; Schiffe versenken. Er war zu der Zeit allerdings schon ziemlich krank.«
»Wollt ich alles gar nicht wissen.«
Ich schiebe die Zettel zu einem ordentlichen Stapel zusammen und fummele ihn in die GesäÃtasche meiner Hose. Jackson sagt eine Ewigkeit lang nichts mehr, tupft nur mit einem Finger die Kuchenkrümel auf und lutscht sie dann ab. Ich schätze mal, dass ich den nächsten Schritt machen muss, und das tu ich auch. »Wir müssen uns überlegen, wie du wieder zurückkommst.«
»Ja. Ich esse das hier bloà noch schnell auf. Ich bin total müde.«
»Nein, nicht zurück in die Garage. Zurück zu deiner Band. Zurück zu den Regulators.«
Er schüttelt den Kopf. »Ich kehr nicht wieder zurück.« Er starrt auf irgendeinen Punkt in nicht allzu weiter Ferne, so als hätte er gerade eine Spinne über die Arbeitsplatte krabbeln sehen. Seine strahlend blauen Augen leuchten irgendwie nicht mehr so und das WeiÃe darin ist ganz rot gesprenkelt. »Eher würde ich sterben.«
»Das meinst du nicht im Ernst.« Ich lächele, aber ich weiÃ, dass er keine Witze macht. Ich will es bloà einfach nicht glauben.
»Ich meinâs ernst. Wenn du mich rauswirfst, werd ich ⦠werd ich ⦠du hast ja keine Ahnung, wozu ich fähig bin, Josie â¦Â«
Ich gehe erst mal über seinen Namensschnitzer hinweg, denn seine Hände auf der Arbeitsfläche zittern dermaÃen, dass sein Krümelteller klappert. Ich strecke meine Hand schon aus, um sie auf seine zu legen, aber im letzten Moment greife ich stattdessen nach dem Teller und trage ihn zur Spüle.
»Die Sache ist bestimmt ganz groà in den Nachrichten.«
»Nein«, lüge ich. »Es wurde
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