Rockoholic
fragt er, ohne aufzusehen.
Und blitzschnell erwidere ich: »Nö. Das war doch dein Bett. Du musst ja drin liegen.« Dann lasse ich das Sandwich und seine Chips neben ihm zu Boden fallen. Und das warâs.
Die meiste Zeit liegt Jackson auf den Federn, zitternd oder einfach nur ins Leere starrend oder ein Buch lesend, das ich ihm durch die Katzenklappe geschoben habe. Einige Bücher zerreiÃt er und schickt sie durch die Klappe an mich zurück. Ich beschlieÃe ihm keins meiner Bücher mehr zu geben und kaufe ein paar in dem Bücherbasar in der Stadt â Die Herrin von Wildfell Hall von Anne Brontë, ein Oberstufen-Arbeitsbuch zu Catch 22 , den fünften Harry-Potter-Band und zwei Stephen-King-Bücher mit einem Haufen Eselsohren, eins davon eine Sammlung mit vier Kurzromanen, die Frühling, Sommer, Herbst und Tod heiÃt, das andere trägt den Titel Das Mädchen .
»Ich will die nicht«, schreit er durch die Katzenklappe.
»Du hast sonst nichts anderes zu tun, oder? Es sei denn, du willst gehen«, rufe ich zurück. Er sagt nichts. Ich warte für ein paar Sekunden und beobachte ihn durch die Katzenklappe. Er glaubt, ich wäre gegangen. Er greift nach dem Brontë-Buch und schlägt es auf. Ich bin ziemlich stolz, dass er endlich nach meiner Nase tanzt.
Am Tag nach dem Kissenmassaker beschlieÃe ich, dass ich lernen will, wie man den Smoothiemaker benutzt, den mir Mum letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat, und verbringe den ganzen Morgen damit, die Zutaten einzukaufen, die ich brauche, um Jackson einen Power-Cleansing-Fruchtdrink zu machen, damit er wieder zu Kräften kommt â Acai-Beeren, Sojamilch, Echinacea, Weizengras. Kostet mich ein Vermögen. Mein erster Versuch ist nicht gerade ein Erfolg â ich vergesse den Deckel draufzumachen und kriege die volle Ladung Power-Pampe mitten ins Gesicht.
Zwei Tage später, als ich es für sicher halte, die Tür zum Schlagzeugraum zu öffnen, bringe ich ihm ein Schachbrett und stelle es auf den Teppich. Wir probieren eine kleine Partie. Jackson verliert und schleudert das Brett in die Luft, natürlich. Mein Opa hat in den letzten Wochen seines Lebens genau das Gleiche gemacht und dann immer gesagt, die Chemo habe seine kleinen grauen Zellen geschrottet. Bei Jackson hat es sicher nichts mit seiner körperlichen Verfassung zu tun â er ist einfach bloà ein Arschloch.
Am Tag danach ist es sonnig, ich lasse die Tür zum Schlagzeugraum offen und lege mich mit meinem MP3-Player auf die Liege im Garten. Jackson kommt bis an die Türschwelle, setzt sich dort hin und kritzelt etwas auf den Block, den ich ihm gegeben habe. Das Geraschel der vom Wind bewegten Mülltüten und die Geräusche der Kinder, die auf dem Kiesweg hinter dem Haus FuÃball spielen, machen ihm offenbar total Angst, und so huscht er bald schon zurück in die Garage.
Im Laufe der Woche werden die furchtbaren Tage zu schlechten Tagen, und die schlechten Tage werden zu guten Tagen. Am Donnerstag lege ich eine Yogamatte in den Schlagzeugraum und kaufe einen von diesen Therapiebällen, damit er seine überschüssige Energie loswerden kann.
»Glaubst du etwa, ich bin soân beschissener Hamster?«, schreit er und prompt kommt der Ball auf mich zugehüpft, bleibt aber mit dem letzten Hüpfer in der Tür stecken. Ich kicke ihn mit Schwung zu ihm zurück und er prallt an seinem Kopf ab. Er sieht mich an, verblüfft über meine schnellen Reflexe. Ha.
»Sorry«, sagt er. Er sieht mich dabei nicht an, darum weià ich, dass erâs ernst meint.
Ich lerne und er auch: Behandle Jackson wie einen Rockgott und dir fliegt der nächstbeste Gegenstand an den Kopf. Behandle Jackson wie ein total verwöhntes Gör und du kriegst eine Entschuldigung. Es wird immer einfacher.
Er wird zugänglicher oder wenigstens ruhiger. Er halluziniert zwar noch immer von katzengroÃen Spinnen oder einem Spatz, der vor dem Fenster rumflattern und ihn einen Idioten schimpfen würde, aber nicht mehr so oft und sein ganzes Jammern und Kreischen wird in meinen Ohren zu einer Art Rückkopplungston â ein nerviges Geräusch, aber letztlich eben bloà genau das: ein Geräusch.
Freitag ist der Durchbruch-Tag. Ich wasche gerade das Frühstücksgeschirr ab, als ich sehe, wie er aus der Garage kommt, die Tür hinter sich schlieÃt und über den Rasen an die Hintertür des
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