Römer im Schatten der Geschichte
Haus, um es mit den anderen zu halten. Die Hähne aber schlugen und verfolgten es. Das Rebhuhn war darüber traurig, weil es glaubte, es werde deshalb verachtet, weil es fremdstämmig sei. Als es aber nach kurzer Zeit sah, wie die Hähne miteinander kämpften und nicht eher voneinander abließen, als bis sie sich gegenseitig blutig geschlagen hatten, da sagte es zu sich: »Jetzt ärgere ich mich doch nicht mehr, dass ich von ihnen geschlagen werde. Denn ich sehe, dass sie sich auch gegenseitig nicht in Ruhe lassen.« (Äsop,
Fabeln
)
Vom destruktiven Charakter des Geizes handelt »Der gierige Hund«:
Ein Hund stahl in der Küche ein Stück Fleisch, / mit dem lief er am Fluß entlang. Da sah er jenes Fleisch / sich spiegeln in der Strömung, größer noch um vieles: / Drauf ließ das Stück er los und sprang dem Schatten nach. / Doch der war fort wie das auch, was er hatte fallen lassen. / So kehrte hungrig er nach Haus zurück. (Babrios,
Äsopische Fabeln
79)
Desgleichen rät ein Sprichwort: »Wirf nie deine Sichel in eines anderen Weizen« (Publilius Syrus, Sentenz 593). Auch schlechte Gewohnheiten wie Prahlerei und Neid werden in den Fabeln an den Pranger gestellt. Als letztes Beispiel sei der Mann genannt, der andere umstandslos schädigt,um sein Überleben zu sichern, wie die Fabel vom »Fischer, der das Wasser schlägt« illustriert:
Ein Fischer fischte in einem Fluss. Er spannte seine Netze aus und zog sie von beiden Seiten der Strömung her zusammen und befestigte dann einen Stein an einem Tau und schlug damit das Wasser; so sollten die Fische vor Schreck wegschwimmen und in die Maschen geraten. Einer der Bewohner dieses Ortes sah, was er da tat, und tadelte ihn, weil er das Wasser des Flusses trübe mache und sie nun kein klares Wasser mehr trinken könnten. Der aber antwortete: »Wenn der Fluss nicht so aufgewirbelt wird, muss ich hungers sterben.« So sind auch die Demagogen in den Städten dann am aktivsten, wenn sie ihre Heimat zum Aufruhr anstacheln. (Äsop,
Fabeln
)
Dieses potenziell (und oft genug auch faktisch) obstruktive Verhalten darf jedoch gemäß stillschweigender Übereinkunft den im Grunde kooperativen Tatendrang nicht übertrumpfen. Die Fabeln sind voll von Lektionen über Zusammenarbeit. Im Folgenden einige Beispiele: »Das Pferd und der Esel« lehrt den Wert geteilter Lasten:
Ein Mann besaß ein Pferd. Das pflegt’ / er ledig neben sich zu führen, indes die Last / der alte Esel tragen mußte. Drunter schmachtend, / trat der zum Pferd und sprach: / »Wenn du ein wenig von der Last nur tragen wolltest, / so kann das meine Rettung sein, sonst aber werd ich sterben.« / Doch jenes sagte: »Scher dich weg und stör mich nicht!« / Da schleppt’ der Esel schweigend sich dahin, / bis daß die Kräfte ihm versagten und er umfiel, tot, wie er’s verheißen. / Jetzt hieß der Herr sogleich das Pferd an seine Stelle treten / und nahm des Esels Last, legt’ sie dem Pferde auf / und noch dazu das Sattelzeug für das Gepäck, ja auch / das Fell des Esels, das er abgezogen, packte er darauf. / Da rief das Pferd: »Wie war ich dumm! / Den Teil zu übernehmen war ich nicht bereit, / jetzt aber muß die ganze Last ich tragen.« (Babrios,
Äsopische Fabeln
7)
»Der Bauer und der Fuchs« klärt über die Notwendigkeit auf, sein Temperament zu zügeln:
Dem Fuchs, des Weinbergs und des Gartens Feind, / gedacht ein Bauer einen schlimmen Streich zu spielen. / Er band ihm Werg an seinen Schwanz, er zündete es an / und ließ ihn laufen dann. Den Feuerträger lenkt’ ein Gott /aufmerkend auf die Felder dessen, der den Tort / ihm angetan. Es war die Zeit der Reife, / und eine reiche Ernte weckte Hoffnung. / Der Bauer folgte, laut um seine Mühe klagend, / doch keine Garbe barg für seine Tenne Demeter. (Babrios,
Äsopische Fabeln
11)
Auch in »Der Löwe und die drei Stiere« können die Armen lernen, dass man zusammenhalten muss:
Drei Stiere gingen miteinander auf der Weide, / und lange schon verfolgte sie der Leu. / Der drei auf einmal Herr zu werden schien unmöglich; / durch Tücke und Verleumdung aber sät er bittre Feindschaft, / er trennt sie voneinander / und greift sie einzeln an als leichte Beute. (Babrios,
Äsopische Fabeln
44)
»Der kranke Rabe« zeigt, dass unfaires Handeln den Menschen im Notfall der Hilfe beraubt:
Der kranke Rabe sprach zu seiner Mutter, die sehr klagte: / »Ach, wein nicht, Mutter, bete zu den Göttern, / daß sie aus
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