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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Ägypten in den letzten
zwanzig Jahren mit Bestechung, Verrat und Terror regiert. Seine
Agenten wissen, wie man die Schwachen benutzt und die Starken zum
Schweigen bringt.
    Am Morgen nach der
Zerstörung von Pallas Haus rief ich die Delegation an einem
Bach im Wald zusammen, bewacht von Pallas Sklaven, die uns vor dem
Angriff warnen sollten, den ich noch immer befürchtete. Ich
hatte weitere Desertationen erwartet, doch ich war entsetzt, wie
wenige bereit waren, den Weg nach Rom fortzusetzen. Nur
fünfzehn Mann! Selbst Onclepion zählte zu denen, die sich
an jenem Morgen entschieden umzukehren. Ich erklärte ihnen,
daß sie den Winter über in Puteoli oder Neapolis
festsitzen würden, weil keine Schiffe mehr fuhren. Aber sie
ließen sich nicht umstimmen. Wenn König Ptolemaios erst
einmal erkannt hatte, daß sie vor Rom umgekehrt waren und
nicht länger vorhatten, vor dem Senat zu sprechen, würde
er seine Angriff gegen sie einstellen - so ihre Argumentation, und
kein Einwand konnte sie davon abbringen. Onclepion
verwickelte mich sogar in eine Scheindebatte
über diese Frage. Die geschmacklose Art, in der er seine
eigene Feigheit mit Sophisterei zu entschuldigen suchte,
stieß mich ab. Noch niederschmetternder war jedoch die
Tatsache, daß nach dem Disput fünf Männer, die am
Morgen noch zu mir gestanden hatten, behaupteten, Onclepion
hätte sie mit seiner Redegewandtheit überzeugt, und sich
auf die Seite der Deserteure schlugen!
    Von denen, die in
Alexandria aufgebrochen waren, um, gerüstet mit gerechter
Empörung und der sicheren Gunst der Götter, dem Senat die
Stirn zu bieten, waren nur zehn übrig geblieben. Nur von
unseren Sklaven begleitet, setzten wir unseren unwürdigen Weg
fort. Und in Rom gab es fürwahr keinen triumphierenden Einzug
für uns! Statt dessen schlüpften wir wie Diebe durch die
Stadttore in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben. Wir verteilten uns
über die Stadt, wo wir bei Freunden und Bekannten unterkamen;
viele wiesen uns ab, als sie von der Zerstörung von Pallas
Besitz und den Widrigkeiten hörten, die unseren Gastgebern in
Neapolis und Puteoli widerfahren waren! Derweil baten wir den Senat
um eine Audienz - doch der Senat antwortete mit
Schweigen.«
    Er wandte sich dem
Kohlenrost zu und starrte in die Flammen. »Was für ein
Winter! Kein Winter in Alexandria war je so kalt. Wie haltet ihr
Römer das nur aus? Ich wickele mich des Nachts in Decken und
kann doch nicht aufhören zu zittern. Welch ein Elend. Und die
Morde…«
    Er begann wieder
elendig zu zittern.
    »Soll ich dir
von einem der Sklaven eine Decke bringen lassen?« fragte
ich.
    »Nein, nein, es
ist nicht die Kälte.« Er schlang die Arme um seinen
Körper und schaffte es schließlich, tief Luft zu holen,
worauf das Zittern sich legte. »Während jener
schrecklichen Tage in Neapolis, Puteoli und unterwegs hatte ich nur
einen Gedanken: ›Wenn wir Rom erreichen, sagte ich mir, wenn
wir Rom erreichen…‹ 
    Aber wie du siehst,
war meine Logik fehlerhaft, weil ich den Gedanken nie wirklich zu
Ende gedacht habe. Wenn wir Rom erreichen, sind wir nur noch zu
zehnt? Habe ich je die Möglichkeit erwogen, daß der
Senat uns brüskieren und sich sogar weigern könnte, uns
anzuhören? Oder daß es weiteren Verrat und Betrug geben
würde, bis ich sogar meinen Glauben an die Männer
verloren hatte, denen ich bei unserem Aufbruch aus Alexandria am
meisten vertraut hatte? Oder daß wir einer nach dem anderen
ermordet werden würden, bis nur noch eine Handvoll übrig
war - durch ihr bloßes Überleben als Verräter und
Werkzeuge von König Ptolemaios entlarvt? Begreifst du, was mit
mir geschehen ist, Gordianus?« Er streckte demütig die
Hände aus, und die Verzweiflung war in seinem Gesicht zu
lesen. »Ich habe Alexandria voller Sorge, aber auch voller
Hoffnung verlassen. Jetzt…«
    »Morde, sagst
du. Hier in Rom?«
    »Ja. Seit
unserer Ankunft mindestens drei. Wir waren alle in verschiedenen
Häusern untergebracht, bei Männern, denen ich glaubte
vertrauen zu können. Ich fürchtete einen weiteren
Überfall, bis mir klar wurde, daß Rom Rom und nicht
Neapolis oder Puteoli ist. Selbst König Ptolemaios würde
es nicht wagen, im Schatten des Senats einen Angriff zu
organisieren oder einen Aufruhr zu inszenieren. Solch eklatante
Verbrechen tolerieren die Männer, die Rom regieren, an anderen
Orten, nicht aber in ihrer unmittelbaren Umgebung. Kein
ausländischer König könnte es sich leisten, die
Massen aufzuhetzen, Brände zu legen oder in

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