Roemisches Roulette
leid. Ich habe es nur getan, weil … Ich wollte mich wohl irgendwie an dir rächen. Ich habe dich wieder und wieder aus Rom angerufen, aber du bist nicht drangegangen. Ich dachte, du wärest bei einer anderen Frau. Und als ich dann wieder hier war, haben wir uns so gut verstanden. Ich konnte es dir einfach nicht sagen.”
“Rachel”, sagte Nick mit trauriger, ruhiger Stimme.
“Aber Kit wusste davon”, sprach ich schnell weiter. Ich wollte ihm unbedingt die ganze schreckliche Wahrheit erzählen. “Sie hat gedroht, es dir zu sagen, und ich musste ihr Geld geben.”
Nicks Mund öffnete sich leicht. Völlig schockiert starrte er mich an. Seit Blick wanderte zu Kit und zurück zu mir.
Ich redete ohne Pause. Ich musste ihm alles erklären. “Ich habe ihr mehrmals Geld gegeben. Viel Geld.” Je mehr ich erzählte, umso näher war ich den Tränen. “Mein Gott, es tut mir so unendlich leid, Nick. Aber jetzt will meine
Freundin
noch mehr Geld, und ich habe ihr gesagt, dass sie keins mehr bekommt, und … und … ich wollte dir gerade alles erzählen.”
Nicks Gesichtsausdruck wandelte sich von Schock über Verständnis zu rasender Wut.
“Du hast sie erpresst?”, brüllte er Kit an. “Du hast meine Frau erpresst?”
Seine Stimme war so laut, so kräftig, dass ich instinktiv zu den anderen Balkonen schaute. War sonst noch jemand draußen? Eine Etage tiefer stand zu meiner Rechten ein Typ mit einem Bier in der Hand und blickte auf den See hinaus. Konnte er uns hören? War das wichtig? Jetzt schlug die Stunde der Wahrheit.
Ich sah wieder zu Nick, der auf Kit zuging. “Du erpresst
sie?
Willst du mich verarschen, verdammt noch mal?”
Kit hatte eine spöttische Mine aufgesetzt. “Das würde mir nie einfallen, Nick. Sie hat in der Gegend herumgevögelt. Fühlt sich gut an, was?”
“Ich fass es nicht.”
“Darauf wette ich. Du hättest es bestimmt lieber von ihr erfahren. Oder wäre es dir noch lieber gewesen, sie hätte mir noch mehr Schweigegeld gezahlt? Dann könntet ihr die Köpfe auch weiterhin schön in den Sand stecken.”
“Du Miststück!”, schrie Nick mit hasserfüllter Stimme. “Du verdammtes Miststück!” Mit beiden Händen packte er Kits Hals. Sie öffnete den Mund, als wollte sie ihn auslachen, doch dann drückte Nick zu. Im Nu legte sich ein irritierter Ausdruck auf ihr Gesicht. Ihre Augen standen vor Schreck weit offen.
“Nick, hör auf!”, rief ich.
Er schien mich nicht zu hören.
Kit wehrte sich mit Händen und Füßen. Sie schubste Nick und rammte ihm das Knie in die Leistengegend. Einen Moment lang krümmte er sich und musste dabei ihren Hals loslassen. Dann ging er von neuem auf sie los. Die Hände auf ihren Schultern, schob er sie blitzschnell quer über den Balkon, bis sie mit dem Rücken am Geländer stand.
“Nick, hör auf!” Ich griff nach seinem Arm, doch er schien seine Umwelt nicht wahrzunehmen.
Er brüllte vor Zorn und hob Kit in die Luft. Sie strampelte wild. In ihrem Gesicht spiegelte sich nackte Panik.
Einen Augenblick später war Kit verschwunden. Alles, was ich sah, waren die weit entfernten Lichter der Stadt.
Als Nick und ich alleine auf dem Balkon standen, herrschte sekundenlang absolute Stille. Kein Schrei von Kit. Nichts als Stille. Dann brach die Realität über mich herein. In meinem Kopf tobte das Chaos.
Anscheinend hatte ich tatsächlich laut geschrieen, denn Nick fing an mich zu schütteln. Mein Kopf flog hin und her. Ich konnte ihn nicht geradehalten. Ich sah, wie sich Nicks Lippen bewegten, doch ich hörte nicht, was er sagte.
“Was?”, fragte ich. Wieder lange Augenblicke der Stille. Nick und ich starrten einander stumm an. Dann hörten wir Sirenen. Eigentlich kein ungewöhnliches Geräusch in dieser Stadt, doch es kamen immer mehr hinzu und sie rückten zweifellos näher.
Ich lief auf das Geländer zu.
“Tu es nicht”, hielt Nick mich zurück.
Dachte er, ich wollte springen? “Ich muss sie sehen”, erwiderte ich.
“Nein”, sagte er eindringlich. Er drehte mich zu sich herum und fasste mich wieder bei den Schultern. Dieses Mal ganz sanft. “Rachel, hör zu: Wir müssen dieselbe Geschichte erzählen.”
“Geschichte?” Wovon sprach er?
Ich blickte zum Geländer. Kit, die arme Kit.
“Wir müssen uns eine Geschichte zurechtlegen”, bekräftigte er. “Verstehst du? Wenn die Polizei uns fragt, was passiert ist, müssen wir dasselbe sagen. Sonst sieht es schlecht für uns aus.”
Ich keuchte. “Schlecht aussehen?”, echote
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