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Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Titel: Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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handeln. Zu mächtig war die Gestalt, die Schultern zu breit, die Flügel zu ausladend. Eindeutig ein männlicher Loy über fünfzig Jahre. Dunkel erinnerte er sich, mit jemand gesprochen zu haben, irgendjemand, der ihn nach Hause bringen wollte.
Ob die Weide ihn geweckt hatte oder vielleicht auch Eivens Bewegungen, plötzlich rührte sich der Schatten. Unwillkürlich wich Eiven ein Stück zurück. Es schien zwar, als hätte der ältere Krieger ihn gerettet, aber warum, das war noch nicht klar.
„Wer bist du?“, fragte er leise.
„Ganz ruhig, ich bin Niyam.“ Die dunkle Gestalt kam näher und setzte sich neben Eiven auf die verflochtenen Zweige der Weide.
„Geht es dir besser?“ Niyam klang ehrlich besorgt, auf eine Weise, die Eiven nie zuvor hatte erleben dürfen.
„Ich denke ja.“ Zumindest seinem Körper ging es gut … Über alles andere wollte Eiven noch nicht nachdenken, dafür fehlte es ihm an Kraft und Mut.
„Wo sind wir?“, fragte er rasch.
„Erst einmal in Sicherheit, solange du nicht schreist. Die Grenze zu den Silberfalken ist nah, das hier ist eine lebende Weide. Warte, wir bekommen Besuch – bleib, wo du bist, es ist Misham. Hör ruhig zu, aber bleib still, verstanden?“
Verwirrt nickte Eiven und beobachtete, wie Niyam und Misham sich am Flussufer direkt neben der Weide trafen. Er wusste, dass die beiden einander nahe standen, beinahe, als wäre Misham Niyams Ziehsohn. Einen Herzschlag kämpfte er gegen die Panik. Was, wenn Niyam beschließen sollte, ihn, Eiven, zu töten, um Misham zu schützen? Was, wenn Misham gekommen war, um Niyam Gelegenheit zur Flucht zu geben, bevor er mit Nalvat und den anderen über ihn herfallen wollte? Oder vielleicht würde er auch Niyam etwas antun? Alarmiert wollte er sich von der Weide lösen, doch sofort legten sich die dünnen Zweige um seine Glieder.
„Bleib, Kind des Zwielichts, bleib bei mir! Misham von den Loy hat dich mit zu mir gebracht, er ist kein Feind. Er will Niyam von den Loy nicht wehtun. Bleib, dein Freund hat es gesagt!“
Misham hatte geholfen, ihn herzubringen? Das klang so verrückt, dass es wahr sein musste. Zumal ein lebender Baum nicht fähig war zu lügen.
Eiven sah, dass Misham etwas bei sich trug. Die Haltung seines Bruders wirkte angespannt, allerdings nicht so, als hätte er Verrat im Sinn. Gebannt lauschte Eiven der geflüsterten Unterhaltung:
„Verzeih, ich konnte nicht früher weg. Mein Vater hat mich scharf beobachtet, ich musste ihm schließlich laraith in seinen Met schütten, damit er einschläft. Er glaubt mir nicht, dass ich nichts von Eivens Verschwinden weiß.“
„Und deine Freunde?“
„Denen habe ich die Wahrheit gesagt. Sie waren alle erleichtert.“ Misham zögerte sichtlich, dann fragte er unbehaglich: „Wie geht es ihm?“
„Er wird … er wird es schaffen, keine Sorge. Die Weide kümmert sich gut um ihn, es macht sie glücklich.“
„Hast du mit ihm gesprochen?“
„Noch nicht, Misham.“
„Sag ihm ... sag ihm bitte ...“ Misham ließ den Kopf hängen. „Er wird mir nicht glauben, wenn ich sage, dass es mir leid tut, nicht wahr?“
„Vermutlich nicht. Ich werde es ihm trotzdem sagen. Und jetzt fort mir dir, bevor dich noch jemand vermisst oder die Silberfalken uns hören!“
„Niyam ... vergib mir.“
Eiven sah, wie Niyam den jüngeren Loy kurz umarmte und ein großes Bündel von ihm in Empfang nahm.
Vergebung. Beim großen Licht, der feige Saduj winselt um Vergebung! Du hast es getan, es war dein Wille, deine Hand, Misham, steh dazu! Eiven erstickte fast, an seinen hasserfüllten Gedanken ebenso wie an dem verzweifelten Bemühen, still zu bleiben. Wie gerne wäre er hinab gesprungen, um Misham in Stücke zu reißen! Doch er verharrte, und nur einen Moment später war Misham wieder fort.
„Was bedeutet das alles?“, zischte Eiven vorwurfsvoll.
Niyam seufzte schwer und wies dann auf das Bündel.
„Hör zu, es ist eine schwierige Situation. Du selbst hast mich gebeten, dich nicht nach Hause zu bringen, vielleicht erinnerst du dich nicht mehr daran. Nun, wenn du nicht zurück zur Sippe gehst, musst du irgendwo anders hin, verstehst du?“
„Niyam, ich kann nicht ...“ Entsetzt hielt Eiven die Luft an. Wer nicht zur Sippe gehörte, war tot oder würde es sehr bald sein. Es gab nichts dazwischen. Ein Loy, der von der Sippe verstoßen wurde, beging Selbstmord oder ließ zu, dass andere Sippen ihn töteten, denn ohne die anderen war er nichts. Verloren. Als er sicher gewesen war zu sterben, da war es

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