Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
vor langer Zeit gestorben. Es ist meine Schuld, dass diese beiden Orn in Gefahr gerieten, sie hatten sich meinem Schutz anvertraut. Ich glaubte sie durch Chyviles Zauber in Sicherheit und ließ sie zurück, um einer Idee zu folgen.“ Sie blickte zu Jordre hinab, beschämt die Augen niedergeschlagen. „Verzeih mir. Ich hätte euch warnen sollen statt einfach zu gehen. Wenn ich mich überzeugt hätte, dass ihr in Sicherheit seid, oder euch klar gemacht hätte, dass ihr einfach nur warten müsst, wäret ihr nicht in solche Gefahr geraten!“ Bekümmert kniete sie neben Pera nieder und strich über das nasse Haar der jungen Frau. Erst jetzt bemerkte Jordre, wie schwach Ledrea war. Sie zitterte und tiefe Erschöpfung sprach aus ihrem bleichen Gesicht.
„Wo warst du? Was ist mit dir geschehen?“, fragte er besorgt. Ledrea schüttelte den Kopf.
„Ich verdiene deine Aufmerksamkeit nicht. Wir müssen aufbrechen, sobald ich Pera Kraft geschenkt habe. Fürchte dich nicht, du kannst dich mir dieses letzte Mal anvertrauen. Ich werde euch nicht noch einmal im Stich lassen.“
„Herrin, was habt Ihr getan?“, fragte eine der Famár mit weit aufgerissenen Augen. Ledrea lächelte matt.
„Eben das, was du befürchtest. Ich habe einen Fluch gewirkt. Pera und Jordre müssen so rasch wie nur möglich zur Steintänzerin gelangen. Osmege hat eine magische Barriere erschaffen, die verhindern soll, dass jemand den Weg zur Tänzerin nimmt, ohne dass er es sofort erfährt. Davon wusste Chyvile sicherlich nichts, ich habe es nur vermutet, da ich diesen Trick von Osmege bereits kannte. Mein Fluch hat den Schleier zerrissen. Osmege weiß dies noch nicht, er wird es erst bemerken, nachdem die Tänzerin mit ihren Gefährten zusammengetroffen ist und Merpyn verlassen hat. Dazu habe ich einen weiteren Fluch gewirkt, der die Prophezeiung begünstigen soll. Beide sind vollendet. Ich werde den Preis zahlen.“
Verunsichert starrte Jordre zwischen Ledrea und den Famár hin und her. Er verstand nicht, wovon die Elfe sprach, doch die Angst der Wasseratmer war ebenso offensichtlich wie Ledreas grimmige Entschlossenheit.
„So sei es, Herrin“, sagte Kashir schließlich. „Es ist schmerzlich, aber wir können Eure Entscheidung nur hinnehmen. Möge es seinem Zweck dienen.“
Pera regte sich unter Ledreas Händen.
„Wir verlassen euch nun, Gefährten der Steintänzerin. Seid gewiss, wir tun alles, was in unserer Macht steht, um Osmeges Blick von euch zu wenden.“ Mit diesen Worten verneigten sich die Famár und gingen rasch fort, ohne sich ein einziges Mal umzusehen.
„Was hat das alles zu bedeuten, Ledrea?“, fragte Jordre ängstlich.
„Du wirst es erfahren, doch nicht jetzt und nicht hier.“ Die Elfe zog Pera auf die Beine, die noch sehr benommen wirkte. „Wir müssen uns eilen. Es ist nicht mehr weit bis nach Merpyn, kommt!“
„Jordre?“ Verwirrt klammerte sich Pera an ihn. Glücklich zog er sie in seine Arme. Zu wissen, dass sie lebte war im Moment alles, was für ihn von Bedeutung war.
„Jordre, was ist los?“, flüsterte sie ängstlich, den Kopf an seine Brust gepresst.
„Ich weiß es nicht, ich verstehe selbst nicht, was mit uns geschieht.“
„Kommt!“ Ledrea ließ ihnen keine Zeit, sondern packte sie beide an den Händen und zerrte sie mit sich.
„Nach Merpyn! So rasch es nur geht.“
Die beiden mussten ihr folgen, sonst wären sie von ihr über den Boden geschleift worden. Voller Angst liefen sie neben der Elfe her, die ferner schien als je zuvor.
Wie eine Erinnerung an ein lebendiges Wesen, dachte Jordre, nur eine schöne, verblassende Erinnerung, mehr nicht …
18.
„Dein Wahnsinn ist mir teurer als jede Weisheit dieser Welt. In jedem möglichen Sinn all dieser Worte.“
Zitat aus „Der Ruf des Korabal“, Komödie von Shila von Erten
Ungeduldig wippte Ilat mit den Zehen. Diese endlosen Ratssitzungen zermürbten seine Nerven. Gerade hielt irgendein Graubart einen Vortrag darüber, warum die Rechtselle, seit Jahrhunderten das gültige Maß im Tuchhandel, nicht mehr ausreichte und nun eine neue Maßeinheit festgelegt werden musste. Seit mindestens einer Stunde schon leierte der Alte Zahlen herunter. Wer war das noch mal? Nicht der Meister der Tuchgilde, der saß mit hochrotem Kopf und verschränkten Armen weiter unten am Tisch. Gelangweilt studierte Ilat die kostbare blausamtige Halskrause des Alten, die goldene Gliederkette, die bis zur mageren Brust reichte.
Man sollte dich daran aufhängen!
Dieser Gedanke
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