Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
heiterte Ilat ein wenig auf, er lächelte dem Graubart zu, was einen nervösen Hustenanfall zur Folge hatte. Kein Provinzfürst, die waren härter im Nehmen. Also wohl ein Rechtsgelehrter. Neuerdings glaubte jeder Provinzherr, er müsste sich Gelehrte an den Hof holen, die ihm sagen konnten, was Recht und richtig war. Lächerlich. Wie alles hier.
Seit dem erfolgreichen Schlag gegen Lynthis war Ilats Stern aufgestiegen. Das Volk bewunderte ihn für seinen Einsatz, der den kleinen Priester gerettet hatte. Alle Kriegsopfer waren vergessen, was zählte, war Janiels Rettung. Menschen. Immer auf der Suche nach Drama und Romantik!
Die Adligen schätzten die Stimmung im Volk, die neue Achtung, die man auch ihnen entgegen brachte. Die Händler klagten ein wenig, weil der Warenumschlag über Lynthis behindert war, aber es gab keine Gefahr, dass irgendein Mangel entstehen könnte. Die Priesterschaft hingegen war zufrieden, da Ilat weiterhin auf Rynwolfs Rat hörte und das Volk nun eifriger denn je zum Tempel strömte.
Für Ilat bestand der größte Gewinn darin, dass nun ein Provinzfürst weniger an diesem Tisch saß und Forderungen stellte, denn Lynthis war unter einen von Ilat bestimmten Verwalter gestellt und durfte keinen eigenen Herrscher mehr besitzen.
Bleiben noch vierunddreißig Quälgeister, Narren beiderlei Geschlechts, zuzüglich ihrer Rechtsgelehrten, hoffnungsvollen Erben, persönliche Priester und sonstige Beistände. Die Meister aller verfluchten Gilden … Wirklich, warum muss ich, der König des wichtigsten Reichs der ganzen Welt, mit dem Meister der Bettlergilde an einem Tisch hocken?
Sein rastloser Blick streifte über die Gesandten der Adelshäuser. Sie stammten aus ganz Enra. All diese feisten, eitlen, gepuderten Schmarotzer! In Samt und Seide gehüllt, mit Juwelen behängt, um Macht und Reichtum zu demonstrieren. Jeder dachte nur an sich, den eigenen Vorteil und Reichtum, Sicherung der eigenen Macht. Der schlimmste von allen saß ihm genau gegenüber. Auch wenn er, zugegebenermaßen, in schlichte Roben gehüllt und nur sparsam mit Goldemblemen geschmückt war. Rynwolf lächelte ihm finster zu. Oh ja, der Erzpriester kannte Ilats Gedanken, er wusste, welche Abgründe hinter der Stirn des Königs lauerten.
Ich sollte Krieg führen. Dringend. Wenn ich noch länger in diesem Saal voller aasfressender Saduj sitzen muss, reiße ich sie irgendwann in Stücke!
Die Nachmittagssonne warf helle Lichtflecke auf den weißen Marmorboden, Möwen schrien in der Luft. Ilats Gedanken wanderten träge umher, eingelullt von dem anhaltenden Monolog des Gelehrten.
Ich wünschte, ich würde unsichtbar werden, wie dieser Prinz … ah, das da sind Möwen, keine – wie hießen die Vögel noch mal? Korporal? Nein, nicht Soldaten … Korabal, genau. Der Ruf des Korabal. Albernes Stück. Theater eben. Genau das Richtige, damit adlige Damen auf Monate beschäftigt sind.
„Majestät?“
Ilat fuhr zusammen. Irgendjemand hatte ihn beim Träumen erwischt. Er war nun einmal nicht Prinz Haddaduk, der jedes Mal, wenn er den Ruf des Korabalvogels hörte, für eine Stunde unsichtbar wurde und deshalb in alle möglichen irrwitzigen Situationen geriet.
Alle starrten ihn fragend an. Sie wussten, wie labil ihr König war, wie schnell seine Aufmerksamkeit schwinden, seine Launen wechseln konnten. Er beherrschte sich meistens; seit er von Lynthis wiedergekehrt war, hatte er niemanden mehr erschlagen und sich langsam politische Entscheidungsmacht von Rynwolf erkämpft. Oh ja, der Priester musste sich ihm beugen. Ilat besaß einige Trümpfe im Ärmel, die er zu gegebener Zeit ausspielen würde.
„Verzeiht. Ich war abgelenkt.“ Er lächelte entschuldigend und nickte dem Graubart zu.
„Die hochinteressanten Ausführungen haben mich so gefangen genommen, ich musste darüber nachdenken. Habe ich eine Frage verpasst?“ Der Gelehrte setzte zu sprechen an, doch Ilat wedelte ungeduldig mit der Hand. „Nein, genug davon. Überlasst mir Eure Unterlagen, ich werde sie heute Abend noch einmal durchlesen. Zu interessant, das alles. Die anderen sollen auch noch zu ihrem Recht kommen. Wer ist nun an der Reihe?“
„Majestät!“
Einer der Barone hüstelte schockiert. Vermutlich war er für heute zum Protokollführer bestimmt worden, Ilat konnte sich nicht erinnern. Er bedachte den Mann mit einem Blick, der deutlich zeigte, was Ilat jetzt am liebsten mit dem in roten Brokat gehüllten, sehr jungen Adligen tun wollte. Der Baron erbleichte so sehr, dass sein
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